Das Ende der Ära Michael Häupl naht
Es ist keineswegs übertrieben, vom Ende einer Ära zusprechen, die Wien im neuen Jahr bevorsteht: Beim Landesparteitag am 27. Jänner gibt Michael Häupl nach 24 Jahren die Führung der Wiener SPÖ ab. Bis zum Sommer wird er dann auch als Bürgermeister zurücktreten – nach 23 Jahren im Amt, was ihm Rang zwei in der Liste der längstdienenden Wiener Stadtchefs einbringt. Nur ein gewisser Josef Georg Hörl, der zur Zeit Maria Theresias sein Amt antrat, war mit 31 Jahren länger Wiener Bürgermeister.
So lange die Amtszeit Häupls war, so schwierig gestaltet sich auch seine Amtsübergabe, die wohl das prägende kommunalpolitische Thema 2018 sein wird. Denn entgegen der parteiinternen Usancen rittern erstmals gleich zwei Kandidaten um den Chefsessel in Partei und Rathaus, weil Häupl es verabsäumt hatte, seine Nachfolge rechtzeitig zu regeln.
Zwei rittern um die Nachfolge
Auf der einen Seite Michael Ludwig, seit mittlerweile auch schon zehn Jahre Wohnbaustadtrat und Chef der mitgliederstarken Floridsdorfer Bezirkspartei. Schon vor Monaten hat er seine Kandidatur bekannt gegeben und er gibt sich überaus siegesgewiss. Er rechnet vor allem mit der Unterstützung aus den Flächenbezirken, die verhältnismäßig viele der knapp 1000 wahlberechtigten Delegierten stellen.
Auf der anderen Seite Andreas Schieder, Klubobmann im Parlament, der Favorit des eher linkeren Parteiflügels rund um die Stadträte Renate Brauner, Sandra Frauenberger und Jürgen Czernohorszky. Er kann auf langjährige bundespolitische Erfahrung verweisen. Seine Unterstützer trauen ihm einen entschiedeneren Kampf gegen Türkis-Blau im Bund zu und erwarten mit dem 48-Jährigen an der Parteispitze eher einen längst überfälligen Generationenwechsel. Zu Gute kommen könnte ihm im derzeit parteiinternen Wahlkampf auch, dass er als Klubobmann im Parlament eine wesentlich höhere Medienpräsenz hat als der Wiener Wohnbaustadtrat.
Noch im Jänner gehen zwei Hearings mit den beiden Kandidaten über die Bühne, bei denen sich die Delegierten ein Bild von Ludwig und Schieder machen können. Weiters stellen sich die beiden in einem Chat den Fragen der Parteimitglieder. Ob die dabei viel Neues erfahren ist allerdings fraglich – bis dato waren kaum inhaltliche Unterschiede zwischen den Kandidaten auszumachen.
Letztlich werde es laut Parteikennern darauf ankommen, welcher Kandidat in den letzten Wochen vor dem Parteitag die beträchtliche Menge an noch unentschlossenen Delegierten auf seine Seite ziehen kann. Sie könnten – heißt es in SPÖ-Kreisen – derzeit etwa ein Drittel der Stimmberechtigten ausmachen.
Fingerspitzengefühl ist gefragt
Egal, ob Ludwig oder Schieder das Rennen macht – der neue Parteichef braucht enormes Fingerspitzengefühl. Gilt es doch, die seit Monaten zerstrittene Landespartei wieder zu einen. Allen voran beim erforderlichen Umbau des roten Regierungsteams. Damit die Grabenkämpfe nicht in die Verlängerung gehen, müssen sich darin Vertreter beider Lager wiederfinden. Schieder hat das schon angedeutet, als er nicht ausschloss, dass selbst Ludwig im Falle eines Sieges seinem Team angehören könne. Ob der Wohnbaustadtrat ein solches Angebot annehmen würde, bleibt freilich dahingestellt.
Laut Parteikennern ist denkbar, dass auch ehemalige Wiener Mitglieder der Bundesregierung (wie etwa Pamela Rendi-Wagner) künftig eine Funktion in der Stadtregierung übernehmen könnten.
Umbau der Partei
Nötig wird auch ein Umbau der Parteispitze, die derzeit noch vorwiegend von Ludwig-kritischen Funktionären dominiert wird. Regulär steht der nächste Wahlparteitag erst 2019 an. Ludwig hatte zuletzt aber angedeutet, dass er die personelle Neuaufstellung der Partei eher früher als später angehen würde. Eine Vorverlegung der Personalentscheidung ist also denkbar. Viel Zeit bleibt tatsächlich nicht: Die nächsten Wien-Wahlen stehen bereits 2020 an.
Bis dorthin wollen Schieder oder Ludwig mit den Grünen weiterregieren. Keine leichte Aufgabe. Denn aus den Reihen des krisengeschüttelten Juniorpartners ist zu vernehmen, dass man nach dem Wahldesaster im Herbst kantiger gegenüber der SPÖ auftreten will.
An einem Wechsel an der Parteispitze im neuen Jahr sind die Wiener Grünen gerade noch einmal vorbeigeschrammt. Alexander Hirschenhauser, Klubchef in der Inneren Stadt, hatte Anfang November gefordert, dass sich Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou synchron mit Michael Häupl aus ihrem Amt zurückziehen soll. Mit einem entsprechenden Antrag blitzten Hirschenhauser und seine Mitstreiter auf der jüngsten Landesversammlung allerdings ab. Trotzdem soll 2018 in der Wiener Landesorganisation kein Stein auf dem anderen bleiben.
Denn die Grünen haben sich nach den parteiinternen Querelen und dem miserablen Ergebnis bei der Nationalratswahl einen Neustart auf der strukturellen, inhaltlichen und personellen Ebene verordnet. Nächster Schritt ist die Bildung eines Teams, das die Reform leiten wird. Mitte Jänner wird die Landeskonferenz über geeignete Personen abstimmen. Abgeschlossen sein soll die Neuaufstellung im Herbst 2018, erste Reformvorschläge sollen den Mitgliedern bereits im Juni vorgelegt werden.
Darunter soll auch ein Fahrplan zur Findung des Spitzenkandidaten für die Wien-Wahl 2020 sein. Denn dass Vassilakou die Wiener Grünen zum vierten Mal in Folge an vorderster Front in den Wahlkampf führt, ist keinesfalls fix. „Meine Position ist nicht sakrosankt“, betont sie immer wieder. Ob sie sich wieder als Spitzenkandidatin bewerben möchte, ließ sie bisher offen.
Potenzielle Nachfolger haben sich noch keine aus der Deckung gewagt. Rathaus-Klubobmann David Ellensohn und Landessprecher Joachim Kovacs werden Ambitionen nachgesagt. Bestätigen wollen die beiden diese freilich nicht.
Rote Linien
Neu aufstellen will sich die Öko-Partei auch gegenüber dem roten Koalitionspartner. So soll vermieden werden, dass Grün-Affine 2020 letztlich doch die stärkere SPÖ wählen, um eine „Machtübernahme durch die FPÖ“ zu vermeiden, wie die Protagonisten der Parteireform schreiben. Nächster Anlass, um Profil zu zeigen, könnte die Präsentation der jahrelang von den Grünen versprochenen Studie zum koalitionsintern umstrittenen Lobautunnel sein. Sie soll laut Vassilakou im Frühling vorliegen.
Spätestens im Februar soll die – ebenfalls von den Grünen beauftragte – Expertise zu Diesel-Fahrverboten in Wien fertig sein. Bürgermeister Häupl schloss etwaige Umweltzonen im Sommer nicht aus.