Betrüger zocken Flüchtlinge ab
Von Julia Schrenk
Anläuten muss man bei der Nummer 45 in einer Gasse in Wien Rudolfsheim-Fünfhaus nicht. Die Tür ist nicht versperrt, außerdem fehlt die Holzvertäfelung des rechten Türflügels. Im Hinterhof wurden Lattenroste und eine Couch abgestellt. Im Stiegenhaus bröckeln die Wände ab, Kabel sind nicht eingezogen und hängen von der Decke.
Im ersten Stock dieses Hauses wohnt Tam. Der 23-jährige Iraker lebt seit knapp sechs Jahren in Österreich. Und ebenso lange in der Wohnung in diesem Haus. In einer Ecke seines Vorraumes schimmelt es. Tams Wohnung hat keine Heizung. Die Küche hat er selbst eingebaut.
Dubiose Vermieter
Bekommen hat Tam die Wohnung über die Firma Aldiar KG. Inhaber Hussein A. wurde im August des Vorjahres zu einer 18-monatigen Haftstrafe (zwölf davon bedingt) wegen Betrugs verurteilt. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt noch immer gegen ihn. Firmeninhaber Hussein A. trat in zahlreichen Fällen als Vermittler von Wohnungen auf. Die Miete soll er dabei oft bar einkassiert haben, sie allerdings nicht immer an die Hausebesitzer oder Hausverwaltungen weitergeleitet haben. Opfer von A.s Betrügereien sind vor allem Flüchtlinge aus dessen Heimatland Irak und auch aus Syrien.
Notlage ausgenutzt
Die Familie von Shahin etwa wurde delogiert, weil Hussein A. die Miete nicht an den Hausbesitzer weitergegeben hat. Dafür vermittelte er Shahin Platz in einer WG in einem Gemeindebau in Favoriten. Weil Flüchtlingen der Zugang zu Gemeindewohnungen aber verwehrt ist, kann sich Shahin dort auch nicht melden, was wiederum den Verlust der Mindestsicherung bedeuten würde. "Wir sind vor der größten Katastrophe geflohen und ahnten nicht, dass unsere Sorgen hier weitergehen", sagt Shahin.
Flüchtlinge haben es auf dem Wohnungsmarkt besonders schwer. Aber Vermieter wenden unfaire Tricks auch gegen lange hier Lebende an.
Größtes Problem derzeit: „Die Vermieter verlangen, was der Markt hergibt“, sagt Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte bei der Arbeiterkammer. Dazu komme, dass Vermieter den 25-Prozent-Abschlag bei befristeten Mietverträgen oft nicht gewähren. Beliebt hingegen sei es, Zuschläge für die Lage zu verrechnen. Auch wenn die gar nicht so besonders ist. So würden etwa Zuschläge für die Lage einer Wohnung in U-Bahn-Nähe verlangt. „Aber in Wien liegen 70 bis 80 Prozent der Wohnungen in U-Bahn-Nähe“, sagt Rosifka. „Ewiges Thema“ sei auch, dass Kautionen nicht rückerstattet werden. „Aber nicht jede Abnützung ist gleich eine Beschädigung“, gibt der Experte zu bedenken.
Die Wiener Mietervereinigung verzeichnete zuletzt einen Anstieg bei den vorgebrachten Fällen. „Die Mieter sind mittlerweile besser informiert“, sagt Geschäftsführerin Elke Hanel-Torsch. 2016 erstritt die Vereinigung 2,6 Millionen Euro für ihre Mieter. Auch Hanel-Torsch sagt: „Der Befristungsabschlag von 25 Prozent wird fast nie gewährt.“ Dafür gäbe es oft skurrile Zuschläge. Beispiel: Für eine Wohnung in der Piaristengasse im 8. Bezirk war der Lagezuschlag pro Quadratmeter höher als der Mietpreis. Und obwohl alle Fenster der Wohnung straßenseitig ausgerichtet waren und dort die Buslinie 13A verkehrt, gab es keinen Abschlag wegen Lärms.