Chronik/Wien

Anklage: Eine gar nicht nette Familie

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Wien gegen den kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Aliyev alias Shoraz birgt internationalen Sprengstoff. Egal, ob der Prozess in Wien mit Freispruch oder Schuldspruch ausgeht: Beide Ergebnisse werden für den kasachischen Präsidenten und offiziellen "Führer der Nation", Nursultan Nasarbajew, wegen der Verstrickung von Familienmitgliedern sehr unangenehm sein.

Aliyev wird vorgeworfen, er habe in der kasachischen Hauptstadt Almaty Managern der Nurbank hohe Vermögenswerte durch Folter abgepresst und zwei von ihnen ermordet. Sollte diese Version stimmen, hätten auch seine Ehefrau Dariga und sein Sohn Nurali Erklärungsbedarf. Dariga, Tochter des Staatspräsidenten Nasarbajev, saß damals im Verwaltungsrat der Bank. Sie war laut Anklage die Begünstigte der abgepressten Aktienpakete. Sohn Nurali – der Enkel des Präsidenten – war Vizepräsident der Bank. Er soll die formelle Abwicklung der gewaltsamen Aktienübernahme organisiert haben. Zu seiner Rolle bezüglich der Ermordung der Manager heißt es in der Anklage: "Im Zuge des Ermittlungsverfahrens konnte nicht geklärt werden, wo Nurali Aliyev sich während der im Folgenden geschilderten Ereignisse aufhielt und welche Wahrnehmungen er machen konnte, wobei der Eindruck entstand, dass die Zeugen bewusst bemüht waren, keine Aussagen zum Enkel des amtierenden kasachischen Staatspräsidenten (...) zu machen."

Milliardärs-Liste

Stimmen die Anschuldigungen, würde das bedeuten, dass die Präsidententochter und der Enkel im Besitz der Beute sind. Ein angeblich erpresster und überlebender Bankmanager gab bei der Staatsanwaltschaft kryptisch an, dass er sich mit Dariga "friedlich geeinigt" habe. Nachsatz im Protokoll: "Es ist aber richtig, dass ich meine Aktien nicht zurückerhalten habe."

Die von Aliyev zwangsgeschiedene Dariga besetzte im Jahr 2013 mit ihren 492 Millionen Euro auf der Milliardärsliste von "Forbes" den Platz 13 in Kasachstan. Der 30-jährige Nurali folgt mit 166 Millionen auf Platz 25.

Eine noch schrägere Optik für den Präsidenten bedeutet es aber, wenn die Wiener Geschworenen der Version Aliyevs folgen. Denn der behauptet, dass die Bankmanager wegen verschiedener Malversationen vor der Finanzpolizei ins benachbarte Kirgisien geflüchtet seien. Tatsächlich gab es damals Haftbefehle gegen die beiden Manager. Sie seien erst später von Agenten des kasachischen Geheimdienstes KNB umgebracht worden, wobei ihm – Aliyev – aus politischen Gründen der Mord in die Schuhe geschoben worden sei. Denn er hätte sich damals mit seinem Schwiegervater überworfen, der ihn seither loswerden wolle. Das Problem für den Präsidenten in diesem Falle: Der KNB macht nichts ohne seine Genehmigung. Das würde bedeuten, Nasarbajev hätte einen Mordauftrag gegeben.