Chronik/Wien

"Dann zielten drei Gewehre auf mich"

Raub mit Tötung eines Polizisten. Der Wiener Jurist Wolfgang A. (64) geriet als angeblicher Komplize des brutalen Billa-Räubers Blazenko Kieslinger im Juli in die Schlagzeilen. Unschuldsvermutung gab es für ihn in vielen Medien nicht mehr. Doch bis heute gibt es kein Indiz für seine Beteiligung. Nun sitzt er mit Anwalt Wolf-Georg Schärf in dessen Kanzlei in der Wiener Innenstadt. Dem KURIER schildert der Ex-Vertriebsmanager erstmals, wie er ins Visier von Polizei und Justiz gelangte.

KURIER: Wie haben Sie persönlich den Überfall am 2. Juli erlebt?

Wolfgang A.: Zunächst muss ich weiter ausholen. Ich habe den Herrn Kieslinger vor eineinhalb Jahren kennengelernt. Zwei Monate später hat er gesagt: ,Mir geht’s schlecht, mir hat die Flut in Bosnien alles weggespült, kann ich ein paar Tage bei dir wohnen?’ Ich habe ihm gesagt, dass meine Wohnung groß genug ist. Als daraus ein längerer Zeitraum wurde, haben wir ihn angemeldet. Er hat sich im Haushalt nützlich gemacht, er hat Wäsche gewaschen und gebügelt. Er ist allen nur als liebenswerter Mensch aufgefallen. Ich habe ihn öfter wohin geführt, einige Male zu einer Baustelle zum Pfuschen.

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So war das dann auch am Tag des Überfalls?

Ja. Er hat gesagt, wir waren dort schon einmal, warte beim Chinesen auf mich. Ich treffe mich mit einem Freund. Ich habe ihn mit einem car2go-Auto in die Hütteldorfer Straße gebracht. Ich habe nicht gesehen, wo er hingeht und bin zu m Chinesen gegangen und hab mir ein Bier bestellt und dann noch eines. Plötzlich ist Polizei aufgetaucht, das war ja direkt gegenüber vom Billa. Zwei Polizisten sind in den Nebeneingang gegangen, weil der Billa schon zu war. Sekunden später sind Schüsse gefallen und ein Beamter kam heraus. Der war getroffen. Er ist auf der Straße zusammengebrochen. Ich bin hinübergelaufen und habe gefragt: ,Kann ich helfen?’ Er hat gesagt ,Verschwindens’, der wollte mich aus der Schusslinie haben.

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Was haben Sie gemacht?

Ich bin zurück zum Chinesen. Dort habe ich beim Fenster rausgeschaut, da ist immer mehr Polizei gekommen. Bis halb zehn habe einige Biere getrunken, es war ja eine aufregende G’schicht. Da sich der Kieslinger nicht meldete, bin ich mit dem Taxi heim. Ich hatte ja einiges getrunken.

Haben Sie gedacht, dass das alles mit Kieslinger zu tun hat?

Nein, natürlich nicht. Das hätte ich ihm ja nie zugetraut. Zuhause habe ich gesehen, dass seine zwei Telefone am Tisch liegen, das kam mir komisch vor. Deshalb bin in sein Zimmer und habe eine alte Weltkriegspistole gefunden. Dann habe ich ein paar Gin Orange getrunken und bin ins Bett. Die Pistole hatte ich mit, weil ich sie ihm abkaufen wollte. Um drei Uhr in der Früh wurde ich durch lautes Geschrei geweckt.

Das war die "Cobra"?

Ja. Ich bin komplett benommen aufgewacht. Dann zielten drei Gewehrläufe auf mich. Ich hatte drei rote Laserpunkte auf der Brust. Und neben mir ist die Weltkriegspistole gelegen. Der Polizeisprecher hat gesagt, ich hätte auf die Polizisten gezielt. Das war eine reine Lüge. Ich wäre in der Sekunde tot gewesen, wenn ich das getan hätte. Vorher ist doch ein Polizist erschossen worden. Ich musste überwältigt werden – so ein Schwachsinn. Die haben mich aufwecken müssen.

Hat die Polizei da schon etwas zu Ihnen gesagt?

Sie haben mich gefragt, ob ich Kieslinger kenne. Ich habe gesagt: Natürlich, der ist ja bei mir gemeldet. Im Verhör habe ich alles erzählt. Nach der Einvernahme hat man mich nachhause geführt. Gegen Mittag sind sie mit einem Riesen-Kommando wieder vor meiner Tür gestanden. Die haben die Wohnung durchsucht. Ich bin seit meiner Jugend Sammler von Militaria, mich hat das immer interessiert. Ich hatte einige Werfergranaten da, die aber alle leer (ohne Zünder oder Sprengstoff, Anm.) und aufgebohrt sind, jeder Spezialist erkennt das. In der Presse hieß es, ich bin ein Wahnsinniger und hab so arge Sachen daheim.

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Was wussten Sie über das Vorleben von Kieslinger?

Überhaupt nichts. Er hat mir nur erzählt, dass er im Bürgerkrieg in Jugoslawien involviert war. Er hat keine Verbrecherkarriere vor mir ausgebreitet. Er hat früher Kapetanovic geheißen, und hat den Namen seiner deutschen Frau angenommen. Ich bin erst jetzt draufgekommen, dass ich einem Soziopathen Unterschlupf gewährt habe...

Das vollständige Interview mit Wolfgang A. lesen Sie im Sonntag-KURIER.

Darin berichtet er, wie nach dem Tod des Polizisten seine Haftbedingungen verschärft wurden, er im Fernsehen als Terrorist dargestellt wurde und sein Sohn wegen des Verdachts bis heute nicht mehr mit ihm spricht.