Analyse: Wie der SPÖ der Überraschungscoup gelang
Von Elias Natmessnig
Etwas unsicher saß Senol Akkilic um acht Uhr in der Früh im roten Rathausklub. "Das ist kein leichter Schritt, den ich hier setze", sagte er in der eilig einberufenen Pressekonferenz der SPÖ.
"Rot und Grün haben in der gemeinsamen Regierung einige Projekte weitergebracht", erklärt er. Es entspreche aber nicht der Gepflogenheit und der demokratischen Struktur des Hauses, eine neue Geschäftsordnung ohne die Stimmen aller Parteien zu beschließen. "Ich hoffe daher, dass die Grünen keinen Antrag zur Geschäftsordnung einbringen. Falls doch, werde ich dagegen stimmen", sagte Akkilic. Damit war die Wahlrechtsreform Geschichte.
Neben ihm saß jene Frau, die den Coup für die SPÖ eingefädelt hat. "Senol Akkilic ist ein sehr guter Freund, den ich schon seit 18 Jahren kenne", erzählt Tanja Wehsely, stellvertretende Klubchefin der SPÖ, mit einem Lächeln. Es sei in den letzten Tagen sehr turbulent für die SPÖ gewesen, nun aber könne man nach vorne blicken.
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Warum lief der Grüne zu den Roten über? Ausgangspunkt war die Landesversammlung der Grünen am 14. Februar. Dort verweigerte die Partei ihrem Integrationssprecher Akkilic die Gefolgschaft. Bei der Wiener Gemeinderatswahl hätte er an unwählbarer Stelle kandidieren dürfen. Der Büroleiter von Maria Vassilakou, Peter Kraus, wurde dagegen auf den achten Platz gehievt.
Wehsely suchte daraufhin das Gespräch zu ihrem alten Freund, der wie sie in jungen Jahren in der Parkbetreuung unterwegs war. Im Verein Wiener Jugendzentren ist Wehsely Obfrau, Akkilic ihr Stellvertreter. Gemeinsam arbeiteten sie zuletzt an einer Initiative zur Deradikalisierung von Jugendlichen.
Über den Wechsel war zunächst nur ein kleiner Kreis eingeweiht. Bürgermeister Michael Häupl und Parteimanager Georg Niedermühlbichler zählten dazu. Daher sah man noch am Mittwoch im Gemeinderat viele rote Genossen mit Sorgenfalten auf der Stirn. Erst Donnerstagnachmittag wurden die wichtigsten Funktionäre über den Coup informiert. Die Grünen erfuhren das erst kurz vor der Pressekonferenz am Freitag.
Grüner Exodus
Akkilic ist nicht der erste Wiener Grüne, der seine politische Heimat für eine andere Partei verlässt. 2005 bekam Günther Kenesei kein Mandat mehr von der grünen Landesversammlung und heuerte bei der ÖVP unter Gio Hahn an. Nach fünf Jahren als schwarzer Gemeinderat verließ er 2010 die politische Bühne endgültig. 2010 war auch für Stefan Schennach kein Platz mehr bei den Grünen, er wurde von der SPÖ aufgenommen und sitzt für die Partei im Bundesrat.
Kenesei ist heute Besitzer einer Sportkantine. "Es war brutal", erinnert er sich an seinen Abgang bei den Grünen. "Mir wurde gesagt, ich dürfe nicht mehr antreten. Nicht einmal reden durfte ich auf der Landesversammlung." So wie bei ihm damals sei auch Akkilic jetzt einem Kampf zwischen den Fundis und Realos zum Opfer gefallen.
"Für die Roten war das natürlich ein aufgelegter Elfer ohne Tormann", sagt Kenesei. "Und Michael Häupl hat das beinhart ausgenutzt."