Chronik/Wien

"Kriminelles Vorgehen der Polizei ist Fall für den Staatsanwalt"

Die für Festnahmen und Razzien zuständige Bereitschaftseinheit der Wiener Polizei hat sich, wie berichtet, schon wieder einen besonders krassen Fall einer Misshandlung geleistet. Das dem Falter zugespielte private Handyvideo eines Zeugen zeigt, wie ein mit Handschellen am Rücken gefesselter Mann bei seiner Festnahme trotz seines passiven Verhaltens plötzlich von einem Beamten am Hals gepackt und heftig zu Boden geschleudert wird (das Video dazu finden Sie im unteren Abschnitt).

Der 27-Jährige – ein mutmaßlicher Taschendieb – radiert mit dem Gesicht über den Asphalt und schreit vor Schmerzen auf, der Kollegen des Polizisten sieht einfach zu. Der Vorfall ereignete sich am 28. Juli um 18 Uhr am Praterstern. In jüngster Zeit gab es bereits mehrere ähnliche eskalierte Polizeieinsätze.

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„Nach den voran gegangenen Vorfällen habe ich mit Polizeipräsident Gerhard Pürstl gesprochen, und er hat versichert, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Wann ist endlich Schluss damit?“, sagt Heinz Patzelt von Amnesty International zum KURIER: „Durch das Video sind wir Zeugen eines kriminellen Vorgehens der Polizei. Das ist mit einem Disziplinarverfahren nicht abgehandelt, das ist ein Fall für den Staatsanwalt. Sonst glauben die Kollegen von den beiden Polizisten, dass so etwas ohnehin reingeht.“

Patzelt fordert längst, dass die Bereitschaftspolizei neu aufgestellt wird: „Das ist ein ganz klares Strukturproblem.“

Man lasse junge unerfahrene Polizisten bei dieser Zugriffseinheit den schwierigsten Job der Polizeiarbeit machen. „Die sind monatelang in der Rossauer Kaserne kaserniert und müssen ausrücken, wenn es eng wird. Die haben bei dieser Truppe nichts verloren bzw. muss ein Radldienst eingeführt werden, wo sie nur ein bis zwei Tage pro Woche – aber gemeinsam mit erfahrenen Beamten – dort eingeteilt sind. Die übrige Zeit sollen sie die alltägliche Schutz- und Hilfetätigkeit im Wachzimmer machen. Weil die bekommen ja sonst das Bild, dass es nur kriminelle Menschen gibt und alle böse sind, und damit ist das Risiko groß, dass sie emotional entgleisen.“

Patzelt sagt, er wolle Taschendiebstahl nicht verharmlosen, „aber eine Identitätsfeststellung hätte hier wahrscheinlich genügt. Wenn nicht einmal der Staatsanwalt einen Haftgrund sieht.“
Der Vorfall wird auch bei der Polizei kritisch beäugt. Die Bereitschaftseinheit sei dennoch eine Erfolgsgeschichte, eine Änderung wird nicht ins Auge gefasst.

7000 Festnahmen

„Das sind zwar junge Kollegen. Aber auch die haben mindestens eineinhalb Jahre Erfahrung in den Bezirken, bevor sie zur Bereitschaftseinheit kommen“, sagt Polizei-Sprecher Johann Golob. Die beiden betroffenen Polizisten wären bereits zwei Jahre im Dienst gewesen und (bisher) nie negativ aufgefallen.

Und Golob versucht zu relativieren: „Es gab 200.000 Amtshandlungen der Bereitschaftspolizei, davon 7000 Festnahmen. Und problematische Situationen gab es nur zwei Mal.“

Die betroffenen Polizisten, die in den Innendienst versetzt wurden, wurden noch nicht einvernommen – sie bestehen auf einen Rechtsbeistand.