Alte Schätze am neuen Westbahnhof
Von Julia Schrenk
Noch ist nicht viel da. Ein alter Vogelkäfig, ein Franz-Schuster-Sessel aus den 1960-ern, eine DKW Hummel aus den 50er-Jahren und ein Globus. Die von Schritten geglätteten Terrazzofliesen im Stiegenhaus mit dem grünen, gusseisernen Geländer lassen aber erahnen, wie es in diesem Haus am Westbahnhof bald ausschauen wird.
Denn Ende Oktober oder Anfang November wird die Glasfabrik – Wiens erste Adresse in Sachen Antiquitäten und Altwaren – in die ehemalige Druckerei der Bundesbahnen hinter den Westbahnhof in die Felberstraße ziehen. Mit Ende des Jahres müssen die Altwarenhändler aus ihrer jetzigen Bleibe in der Lorenz-Mandl-Gasse in Ottakring ausziehen. Seit 1996 waren die Betreiber im einstigen Glasbiegewerk von Ullwer&Bednar untergebracht (siehe Zusatztext). Die Besitzer haben das 3000 große Grundstück mit der Fabrik bereits verkauft – und zwar an die LOMAGA Projekt GmbH. Laut Geschäftsführer Peter Freigassner ist dort ein Wohnprojekt mit zirka 120 Wohnungen geplant, die Glasfabrik soll abgerissen werden. Eine Baubewilligung liegt noch nicht vor. „Wir gehen davon aus, dass ein Abbruch möglich ist und wir nächstes Jahr bauen können“, sagt Freigassner.
Gebäude „entbehrlich“
„Ich habe lange überlegt, ob ich traurig darüber sein soll, dass die alte Glasfabrik abgerissen werden soll“, sagt Simon Weber-Unger, der den Vintage-Laden gemeinsam mit den Brüdern Christoph und Marcus Matschnig und sechs Mitarbeitern weiterführen wird. „Aber Veränderung findet statt und ich verstehe, dass diese Stadt wächst. Für Ottakring ist es schade, aber nicht um die Fabrik, sondern um den öffentlichen Platz“, sagt Weber-Unger.
Im Vergleich zu anderen alten Objekten – Zinshäusern etwa – sei die alte Glasfabrik „als Gebäude entbehrlich“. Und Wohnraum werde ja dringend gebraucht. Das sieht auch Christoph Matschnig ähnlich. „Wir freuen uns, dass wir im Winter nicht mehr bei minus zehn Grad frieren müssen.“ Auch Regen wird in der Felberstraße kein Problem mehr sein: Als es an den beiden vergangenen Montagen in Wien heftig geregnet hatte, stand in der Halle 2 der Glasfabrik das Wasser – das Dach ist undicht. Für die Kunden sei der Umzug von Vorteil: „Die Lage ist besser, wir sind gut erreichbar und es gibt Platz für Parkplätze“, sagt Matschnig. Deshalb werden auch die Öffnungszeiten ausgeweitet: Am Samstag soll künftig statt bis 14 Uhr bis 17 Uhr geöffnet sein, auch Dienstagvormittag wird Betrieb sein.
Zumindest in Einzelteilen wird die alte Glasfabrik aber weiterleben. Die Betreiber nehmen die meisten Möbelstücke und Antiquitäten mit und retten einige der großen, alten Fabriksfenster aus Ottakring. Die werden ins neue Gebäude in der Felberstraße eingebaut. Auch in der Felberstraße wird es einen Außenbereich geben, die Pflanzentröge kommen aus Ottakring mit, der Platz hinter der Druckerei wird begrünt. „Es soll chaotisch und sympathisch bleiben“, sagt Weber-Unger.
Café Industrie
In der neuen Glasfabrik wird es auch ein Café geben. Die Bar des zirka 70 großen Bistros soll im „Industrial Design“ gehalten werden, die Einrichtung eine Mischung aus Perserteppich, Biedermeier- und 50er-Jahre-Möbeln. Zur Felberstraße hin wird ein Gastgarten aufgestellt. „Wir sind der erste Laden hier, der nicht Mainstream ist“, sagt Weber-Unger. Die neue Glasfabrik verstehe sich deshalb auch als Angebot an jene, die in der Gegend leben. Seit einigen Jahren gilt das Grätzel hinter dem Westbahnhof ja als besonders beliebte Wohngegend bei Jungen und jungen Familien.
Mit der für 2021 geplanten Eröffnung der ersten innerstädtischen Ikea-Filiale Österreichs und diversen Einrichtungsgeschäften im Einkaufszentrum des Westbahnhofs, scheint sich das Grätzel nun zum für Knotenpunkt für Interior-Fans zu entwickeln.
Bis die neue, 2000 große Glasfabrik im Herbst eröffnet, haben die Betreiber aber noch einiges zu tun: Ein Brandschaden von einem Feuer, das vor einigen Jahren in dem Haus gelegt worden sein soll, muss – abgesehen von sonstigen Renovierungsarbeiten – noch behoben werden. Wenn das erledigt ist, werden die Möbelstücke und anderen Altwaren in „Wohn-Situationen“ arrangiert – ungefähr so, wie man das ja schon von diversen schwedischen Einrichtungshäusern kennt.
Die Glasfabrik
Das ehemalige Glasbiegewerk von Ullwer&Bednar erstreckt sich über die Adressen Maroltingergasse 54 und Lorenz-Mandl-Gasse 25 in Wien-Ottakring. Das zweistöckige Haus in der Maroltingergasse wurde im Jahr 1912 nach den Plänen des Architekten Hans Prutscher und als Bürogebäude des Glasbiegewerks errichtet. In den 1960er-Jahren kamen Produktionshallen dazu. Bis ca. 1990 wurde die Glasfabrik als solche genutzt. Ab 1996 wurden in der Glasfabrik auf 3000 Antiquitäten und Altwaren verkauft. Nächstes Jahr soll das einstige Glasbiegewerk abgerissen und an der Stelle ein Wohnbau realisiert werden.