Chronik/Wien

Aktionisten trugen Zölibat zu Grabe

Nach 1708 Jahren der sexuellen Eiszeit" ließ Aktionskünstler "donhofer." den Zölibat am Montag mit der Performance "un gelato per il celebato" (ein Eis für den Zölibat; Anm.) sterben. Als Ort für die Aktion wählte der Mann ohne Vornamen ausgerechnet den Wiener Stephansdom, als Rahmen ein Hochamt zu Mariä Empfängnis.

Just als Kardinal Christoph Schönborn das Evangelium verkündete, trat donhofer. ganz in Rot gekleidet vor den Altar und verharrte dort, wie ins Gebet vertieft. Nach einer Schweigeminute drehte er sich zum Volk um, worauf sich in den Sitzreihen Dutzende weitere Aktionisten in Schwarz erhoben. Angeführt von donhofer. verließen sie prozessionsartig die Kirche. Nach der Messe verteilten sie auf dem Stephansplatz Sterbebilder, "welche in liebevoller Erinnerung an den Zölibat erinnern sollten". Die Partezettel zeigten das Bild einer nackten Nonne, die andächtig einen Eislutscher in Händen hält.

Seitens der Erzdiözese Wien fand man die Performance nicht besonders originell. Dompfarrer Toni Faber brachte eine Sachverhaltsdarstellung bei der Polizei ein. "Die Behörde muss nun prüfen, ob es sich bei der Aktion um eine Störung der Religionsausübung handelte", erklärt Schönborn-Sprecher Michael Prüller.

Der Kardinal selbst wollte keinen Kommentar abgeben. Er werde "für die Demonstranten beten", verkündete er noch am Montag nach der Messe.

"Scheinheilig"

"Wir wollten die Menschen animieren, über den Zölibat nachzudenken. Eingeführt wurde er im Jahre 306. Da stellt sich schon die Frage, ob er heute noch zeitgemäß ist", erklärt donhofer. "Wenn die katholische Kirche selbst dahinter stünde und alle Priester sexuell enthaltsam leben würden, wäre der Zölibat ok", sinniert er. "Aber, wenn man sich anschaut, wie viele Pfarrer ein Verhältnis mit ihrer Köchin haben – dann ist die Regel scheinheilig."

Die Reaktionen der Gläubigen, denen der Partezettel mit dem Bild der nackten Nonne überreicht wurde, seien unterschiedlich ausgefallen, berichtet der Künstler. "Einige Hardcore-Christen haben sich aufgeregt – einer hat sogar die Polizei gerufen. Andere wiederum haben positiv reagiert."

Die Behörde ermittelt nun gegen den Aktionisten. "Es geht uns nicht darum, zu strafen", sagt Prüller. "Aber die Menschen haben ein Recht, ungestört ihren Gottesdienst zu feiern." Und eine künstlerische Performance unterscheide sich von einer Demo aufgrund eines kirchenpolitischen Anliegens.