Chronik/Welt

Die Bodyguards des Papstes

Vor ein paar Wochen noch verbreitete sich in Rom das Gerücht, dass der Papst seine Bewacher entlassen und somit die 500 Jahre alte Schweizergarde auflösen wollte. Nun ist alles anders: Der wegen seines militärischen Drills von Franziskus gerügte bisherige Kommandant wurde durch einen neuen ersetzt, der das Vertrauen des Heiligen Vaters hat.

Damit ist der Fortbestand der Schweizergarde, genau zwei Jahre nach Antritt des Pontifikats von Papst Franziskus, gesichert. Christoph Graf, der neue Kommandant, beeilte sich mitzuteilen, dass die Bodyguards des Vatikan wichtiger denn je seien: "Was unsere Aufgabe erschwert, ist das völlige Fehlen von Angst bei Papst Franziskus, der stets Bewegungsfreiheit einfordert und zu große Nähe der Sicherheitskräfte zurückweist: Er liebt die Nähe der Menschen. Man merkt, dass er keine Angst hat."

Das Papst-Attentat

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Die Schweizergarde hat in ihrer Geschichte viele Höhen und Tiefen erlebt. Zwei Ereignisse aus jüngerer Zeit ragen dabei besonders heraus, und beide betreffen den Gardisten Alois Estermann: Als der türkische Terrorist Ali Agca am 13. Mai 1981 am Petersplatz drei Mal auf Johannes Paul II. schoss, stürzte sich der 27-jährige Estermann unter Einsatz seines eigenen Lebens auf den schwer verletzten Papst, um ihn vor noch Schlimmerem zu bewahren. Der Gardist wurde als Held gefeiert.

17 Jahre später, am 4. Mai 1998, wurden Estermann und seine Frau Gladys in ihrer Wohnung, wenige Meter von den Gemächern des Papstes entfernt, tot aufgefunden. Erschossen von Cedrik Tornay, so hieß es, einem weiteren Angehörigen der Schweizergarde. Ein Mörder in den eigenen Reihen belastete die kleinste Armee der Welt beträchtlich.

Besonders tapfer

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Es war Papst Julius II., der die Schweizergarde im Jahr 1506 gegründet hatte. Seit damals versehen die Soldaten des Papstes ihren Dienst in den Privatgemächern, Audienzsälen und an den Toren des Vatikan. Dass die Leib- und Palastwache Schweizer Bürger waren und bis heute sind, liegt daran, dass ihr Gründer Julius II. die Eidgenossen für besonders tapfer hielt.Inferno in RomSchon wenige Jahre nach ihrer Gründung stand die Truppe vor einer harten Bewährungsprobe. Als am 6. Mai 1527 mehr als 15.000 Landsknechte des Habsburger-Kaisers Karl V. die Ewige Stadt überfielen, versuchten die damals 189 Gardisten Papst Clemens VII. gegen die Übermacht der Eindringlinge zu schützen. Die als "Sacco di Roma" in die Geschichte eingegangene Plünderung wurde zum Inferno, zumal das feindliche Heer der Habsburger führerlos war: Des Kaisers Feldherr Georg von Frundsberg erlitt unmittelbar vor dem Angriff einen Schlaganfall, worauf die Horden in einem Blutrausch raubmordend und vergewaltigend durch Roms Straßen zogen. "Dies war der Untergang nicht der Stadt", meinte der Humanist Erasmus von Rotterdam, "sondern der Welt".

Die Wächter des Vatikan standen während des Überfalls mit ihren Säbeln, Hellebarden und bunten Uniformen auf verlorenem Posten. 147 Gardisten starben in ihrer Treue zum Papst, den sie davor noch auf die Engelsburg retten konnten.

Das Tatmotiv

Seit diesem Tag wird an jedem 6. Mai der dramatischen Ereignisse gedacht. Zwei Tage vor dem Gedenktag, am 4. Mai 1998, wurde Alois Estermann, der Johannes Paul II. einst das Leben gerettet hatte, als neuer Kommandant der Leibgarde vereidigt. In der derselben Nacht wurden er und seine Frau erschossen. Als Täter galt Cedrik Tornay, ein 23-jähriger Vizekorporal der Schweizergarde, dessen Leiche neben dem toten Ehepaar Estermann lag.

Die Mafia in der Garde

Als Begründung für die Tat hieß es, Tornay hätte sich bei der Vergabe einer Auszeichnung übergangen gefühlt, später erklärte man, er hätte in geistiger Umnachtung gehandelt und danach Selbstmord begangen. Der Hintergrund des Doppelmordes blieb im Dunkeln, da der Untersuchungsbericht des Vatikan nie veröffentlicht wurde. Gerüchte besagen, dass Cedrik Tornay nicht der Täter, sondern das dritte Opfer des Anschlags war und die wahren Mörder immer noch frei herum laufen. In Vatikanischen Kreisen spricht man sogar davon, dass die Schweizergarde von der Mafia unterwandert sei – ein Grund, dass Papst Franziskus mit dem Gedanken gespielt hätte, den ganzen Verein zuzusperren, da er wie keiner seiner Vorgänger darum bemüht ist, Ordnung im Vatikan zu schaffen. Er wäre auch nach Auflösung der Privatarmee nicht ungeschützt, da es neben der Schweizergarde eine eigene Vatikan-Gendarmerie gibt.

Als Lebensretter

Nach dem "Sacco di Roma" herrschte bis zum 13. Mai 1981, an dem auf Johannes Paul II. geschossen wurde, ziemliche Ruhe unter den Vatikanischen "Bodyguards", die katholisch, mindestens 174 cm groß, bei Dienstantritt ledig und Schweizer Staatsbürger sein müssen. Zwischen dem Attentat auf Johannes Paul II. und der Ermordung des Kommandanten Estermann gelangten die päpstlichen Soldaten noch einmal in die Schlagzeilen – diesmal durch eine peinliche Affäre: Nach einer ausgiebigen Zechtour waren im Juni 1995 sieben der nunmehr 110 Gardisten in eine Schlägerei mit der römischen Polizei verwickelt, wobei zwei Beamte schwer verletzt wurden. Schon damals forderten Schweizer Medien die Abschaffung der Leibgarde: Ihre Tätigkeit im Vatikan sei ohnehin illegal, weil Schweizer Bürgern der Eintritt in fremde Armeen gesetzlich verboten ist.

Keine BedrohungDa aber niemand ernsthaft behaupten konnte, dass die Wachmannschaft des Papstes für die Schweiz jemals zur tatsächlichen Bedrohung werden könnte, legte sich der Sturm bald wieder.Christoph Graf, der neue Kommandant der Schweizergarde, erklärte nach seiner Angelobung, dass es nun auch zu den Aufgaben der Armee gehörte, den Papst vor möglichen Gefahren islamistischen Terrors zu schützen. Franziskus hingegen nahm den Umgang mit seinen Bodyguards gewohnt locker. Er durchbrach, statt die Habt-Acht-Stellung seiner Soldaten abzuwarten, einmal mehr das Protokoll und reichte jedem Gardisten die Hand zum Gruß.