Chronik/Welt

Die Herausforderungen des Neuen

Kontinuität und Stabilität – um diese Botschaft ging es dem neuen Herrscher des Wüstenstaates in einer kurzen TV-Rede am Freitag, jenem Tag, an dem sein Halbbruder und Vorgänger, Abdullah, 90, zu Grabe getragen wurde. "Wir werden an der Politik festhalten, die Saudi-Arabien seit der Gründung durch König Abd al-Aziz ibn Saud (1932) angenommen hat", sagte Salman ibn Abd al-Aziz. Der fast 80-jährige neue Monarch sprach in dem Auftritt kurzatmig und mit schwacher Stimme. Das nährte Spekulationen über seine Amtsfähigkeit. Faktum ist, dass der Sohn des Staatsgründers einen Schlaganfall erlitten hat, zudem kursieren Gerüchte, dass er an Demenz leide.

Wegen seines Alters und seiner angeschlagenen Gesundheit gilt König Salman als Übergangslösung, von dem keine Akzentsetzungen oder gar Reformen zu erwarten sind. Fast ein halbes Jahrhundert war er Gouverneur der Provinz Riad – in dieser Zeit wuchs die Hauptstadt von 300.000 Einwohnern auf fast sieben Millionen. Da dort auch ein Großteil der mehrere Tausend Mitglieder umfassenden royalen Familie lebt, konnte der frühere Prinz alle Netzwerke und das damit verbundene Intrigenspiel des Hofes aus nächster Nähe kennenlernen. Schon vor seiner Thronbesteigung galt er als Schlichter in der Familie.

Gute Klerus-Kontakte

Zudem verfügt der "Neue" über ausgezeichnete Kontakte zum mächtigen wahhabitischen Klerus, mit dem das Königshaus schon im 18. Jahrhundert einen Pakt eingegangen ist, der bis heute hält. Salman, der die vergangenen drei Jahre Verteidigungsminister war, gilt in Religionsfragen als konservativ. Er wird an der gängigen Praxis der öffentlichen Enthauptungen und Auspeitschungen, wie derzeit an dem kritischen Blogger Raif Badawi, wohl nichts ändern.

Und auch eine politische Öffnung des Landes ist unter seiner Regentschaft nicht zu erwarten. "Wir können keine Demokratie haben in Saudi-Arabien, sonst wäre jeder Stamm eine Partei, wir würden wie der Irak enden und im Chaos versinken", sagt er einmal in einem Interview. Tatsächlich waren und sind die extrem traditionellen Clans von zentraler Bedeutung, ihr Zusammenhalt fordert vom jeweiligen Machthaber Fingerspitzengefühl.

Mit Salman rückt einer der letzten Söhne von ibn Saud an die Spitze des weltweit größten Erdöl-Exporteurs. Erster Thronfolger ist jetzt der jüngste männliche Spross des Staatsgründers. Der fast 70-jährige Mukrin wird dann die Geschäfte führen, wenn es die Gesundheit des regierenden Königs nicht zulässt. Der verstorbene König Abdullah machte dies rund zehn Jahre lang als Kronprinz, nachdem dessen Vorgänger, König Fahd, 1995 einen Schlaganfall erlitten hatte.

Bemerkenswert ist, dass mit Mohammed ibn Nayef erstmals ein Enkel des Staatsgründers als "Zweiter Kronprinz" ernannt wurde. Vor diesem Thema drückte sich der Hof schon lange. Mit gutem Grund: Es gibt Hunderte Kindeskinder von ibn Saud, die um die Macht rittern.

Auf die neue Führung in dem riesigen Golfstaat kommt jedenfalls eine Menge an Herausforderungen zu:

Interner ReformdruckGut ausgebildete Jugendliche, von denen schon Hunderttausende im westlichen Ausland studierten, fordern zumindest zarte Lockerungen – etwa dass auch Frauen Auto fahren dürfen. Die unendlichen Welten des Internets sind mit dem archaischen Wertekanon nicht kompatibel, in der Gesellschaft brodelt es.

Wohlstand bröckeltImmer mehr werden arbeitslos. Und obwohl das Königreich über 750 Milliarden US-Dollar an Währungsreserven verfügt, wird das Geld knapp. Der historisch niedrige Ölpreis ist ein Grund dafür, die hohen Ausgaben des Staates, um die Bürger bei Laune zu halten, ein anderer. Das Budget wird regelmäßig um ein Viertel überzogen, erstmals müssen nun die Ausgaben gesenkt werden.

IS-TerroristenWurden die sunnitischen "Brüder" des "Islamischen Staates" von Riad zunächst aufgepäppelt, um das verhasste alawitische syrische Regime unter Präsident Bashar al-Assad zu stürzen, sind die IS-Kämpfer jetzt sogar zu einer Bedrohung für Saudi-Arabien geworden, das nun ebenfalls von den "Ungläubigen" befreit werden soll.Iran/JemenVor der Haustüre im Süden stehen im Jemen die schiitischen Rebellen vor der Machtübernahme. Das würde das schiitische Mullah-Regime in Teheran weiter stärken, das mit Riad in einem erbitterten Wettstreit um die regionale Vormacht steht.