Chronik/Welt

Paris fürchtet Islamisten-Sturm

Die Reibereien zwischen den Verfechtern einer typisch französischen, linksgerichteten und frechen Religionskritik und den islamischen Fundamentalisten drohen nun zu einem Übergreifen des aktuellen islamistischen Flächenbrandes auf Frankreich zu führen. Die französische Staatsführung ist extrem besorgt, seit das linke Satiremagazin Charlie Hebdo Karikaturen veröffentlichte, in denen Mohammed zu sehen ist, wobei in zwei Fällen der Prophet des Islams in einer homoerotischen Position aufscheint.

Außenminister Laurent Fabius sprach von einer "Provokation" und erließ sofort verstärkte Sicherheitsvorkehrungen für alle französischen Botschaften. 20 von ihnen sollen aus Furcht vor Attacken am Freitag geschlossen bleiben. Premier Jean-Marc Ayrault bekannte sich zwar "zum fundamentalen Prinzip der Pressefreiheit", verurteilte aber "jeden Exzess in der aktuellen Situation".

Jesus in erotischer Pose

Tatsächlich ist die Lage sowohl brandgefährlich als auch kompliziert. Charlie Hebdo ist trotz einer vergleichsweise geringen Auflage von rund 75.000 Exemplaren ein anerkannter Bestandteil des französischen Medienspektrums, eben weil dieses Magazin seit Jahrzehnten ausnahmslos alle Religionen sowie die angesehensten Persönlichkeiten in extrem provokanter – und für manche Geschmäcker – auch in unflätiger Manier verulkt. So wurden der Papst und Jesus mehrmals in erotischen Positionen karikiert. Außerdem ist dieses Magazin im Kampf gegen Fremdenhass besonders engagiert.

Daraus leitet Chefkarikaturist "Charb" das Recht ab, auch islamische Dogmen zu attackieren: "Wenn wir Mohammed nicht zeichnen dürfen, kommt als Nächstes das Verbot, sich über Muslime lustig zu machen. Am Ende dürfen wir nichts mehr darstellen, aus Angst vor einer Handvoll Extremisten." Die jetzige Edition soll in doppelter Auflage gedruckt werden.

Viele Franzosen sind darauf stolz, dass in ihrem Land auch das Recht auf Spott gegenüber der einst allmächtigen katholischen Kirche erkämpft wurde. Deshalb misstrauen auch viele der offensiven Religiosität, mit der islamische Gruppen stellenweise auftrumpfen und Sonderregeln fordern, wie etwa die Behandlung von Frauen in Spitälern nur durch weibliche Ärzte. Umgekehrt fühlen sich viele junge Franzosen mit Migrationshintergrund, die mit Diskriminierungen zu kämpfen haben, durch dieses Misstrauen weiter gekränkt.

Anschlag auf Satire-Magazin

In der Vergangenheit, als Charlie Hebdo die dänischen Mohammed-Karikaturen übernahm und von islamischen Organisationen vor Gericht zitiert wurde, bekam das Magazin Unterstützung von Spitzenpolitikern, darunter auch François Hollande. 2011 wurde die Redaktion bei einem Brandanschlag zerstört, seither stehen die Redakteure unter Polizeischutz. Jetzt sind aber auch vormalige Verteidiger des Satiremagazins verstört, weil sie eine solche Religionskritik in der jetzigen aufgeheizten Stimmung nicht für vermittelbar halten.

Der moderate Vorsitzende des Zentralrates der muslimischen Gemeinden Frankreichs, Mohamed Moussaoui, ortet eine "Anstachelung zum Hass", ruft aber die Gläubigen auf, "ihre Empörung mit legalen Mitteln zu äußern".

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