Chronik/Welt

Kohls verstoßener Biograf rechtfertigt sich

So plant man Bestseller: Der renommierte Journalist Heribert Schwan, 70, legt am Eröffnungstag der Frankfurter Buchmesse das bisher intimste Buch über Altkanzler Kohl, 84, vor. Es reflektiert die Höhepunkte von angeblich 630 Stunden, die er 2001 und 2002 mit dem Altkanzler verbrachte. Auf Wunsch des Mannes also, der Deutschland von 1982 bis 1998 regierte, und der vor genau 25 Jahren die Wiedervereinigung einleitete, die derzeit minutiös gefeiert wird.

Weil sich aber die beiden 2004 überwarfen, Kohl jede Veröffentlichung untersagte und die Herausgabe der Bänder erklagte, bekam Schwans Pressekonferenz zum Verkaufsstart noch mehr Aufmerksamkeit. Diese hatten er und sein Verlag nochmals gesteigert, indem sie die deftigsten Zitate Kohls dem Spiegel vorab gaben, seinem publizistischen Erzfeind seit jeher.

Bittere Abrechnung

Die Zitate amüsierten oder widerten die Leser an: Angela Merkel habe "nicht mit Messer und Gabel essen können", Ex-Sozialminister Norbert Blüm sei ein "Verräter", Wolfgang Schäuble Verschwörer wie viele andere, rechnete Kohl mit innerparteilichen Feinden ab. Das DDR-Ende sei Gorbatschows Schwäche und nicht den Bürgerrechtlern zu verdanken.

Das ließ noch mehr erwarten: Zum einen über Kohls Reaktion auf den Freitod seiner ersten Frau Hannelore; zum anderen die Abnabelung der CDU-Spitze wegen Kohls konsequentem, rechtswidrigen Verschweigens der Namen dreier Großspender. Doch mehr Deftiges kam gestern nicht.

Schwan musste sich vor der Hauptstadtpresse nur rechtfertigen: Er habe "keine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet", die Zitate stammten aus seinen Notizen, auch wenn er "natürlich auch eine Kopie der Bänder" habe. Er betrachte das Buch "nicht als Vertrauensbruch", Kohl habe ihm "x-mal gesagt, das können Sie später schreiben". Schuld am Zerwürfnis seien nicht sie beide, sondern "die neue Frau an seiner Seite" – Maike Richter-Kohl, die den kranken Altkanzler bevormunde.

"Der Spiegel bringt nicht das rüber, was im Buch steht, das ist viel differenzierter", so Schwan, der seine Achtung vor der Lebensleistung Kohls betonte. Das tut er mit milder Ironie im Buch – mit einer Startauflage von 100.000 Stück.