Entführungen: Die Angst, getötet zu werden
Von Georg Markus
Die Stunden der Ungewissheit, die die Eltern der 17-jährigen Anneli durchmachten, kann niemand nachvollziehen. Vier Tage lang bangte und hoffte das deutsche Unternehmerehepaar um das Leben seiner Tochter, flehte die Entführer in einem offenen Brief an, das Lösegeld in Höhe von 1,2 Millionen Euro entgegenzunehmen. Doch dann kam die Gewissheit, dass das Mädchen tot ist. Brutal ermordet von zwei Gangstern, deren "Plan" an ihrer eigenen Unzulänglichkeit gescheitert war.
Kidnapper zählen zu den skrupellosesten Verbrechern der Kriminalgeschichte. Sie töten meist dann, wenn sie Angst haben, von ihrem Opfer erkannt zu werden.
Der Fall Maria Bögerl
Der Fall Bögerl hat eine Familie zerstört: Ein Jahr nachdem man die zweifache Mutter tot auffand, erhängte sich ihr Mann, der unter Verdacht geraten war, in den Fall verwickelt zu sein. Zu Unrecht, wie sich herausstellte. Die Entführung der Maria Bögerl ist bis heute ungeklärt.
Bensdorp-Entführung
Der Fall Palmers
Das Lindbergh-Baby
Die bis heute weltweit Aufsehen erregendste Entführung betraf den Sohn des Flugpioniers Charles Lindbergh. Der eineinhalbjährige Bub war am 1. März 1932 aus seinem Zimmer in der Familienvilla in New Jersey gekidnappt worden. Obwohl Tausende Polizisten im Einsatz waren und Lindbergh die geforderten 50.000 Dollar Lösegeld zahlte, wurde das Kind nach zwei Monaten tot aufgefunden. Die Polizei verhaftete den Deutschen Bruno Richard Hauptmann, in dessen Wohnung man einen Teil des Lösegelds fand. Er wurde zum Tod verurteilt und auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.
Schleyer und Aldo Moro
Von RAF-Terroristen erschossen wurde der am 5. September 1977 entführte deutsche Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer. Und das ranghöchste Entführungsopfer war Italiens langjähriger Ministerpräsident Aldo Moro, den am 16. März 1978 in Rom Angehörige der "Roten Brigade" entführten, wobei fünf Leibwächter erschossen wurden. 55 Tage später fand man Aldo Moros Leiche im Kofferraum eines Renault 4, nachdem die Forderung der Täter nach Freilassung inhaftierter Gesinnungsgenossen von der italienischen Regierung abgelehnt worden war. Auch das Angebot von Papst Paul VI., als Geisel gegen Moro ausgetauscht zu werden, wurde nicht angenommen.
Paul Gettys Schicksal
Eiskalt reagierte einer der reichsten Männer der Welt, der Öl-Milliardär Paul Getty, als im Juli 1973 sein 17-jähriger Enkel Paul Getty III. in Rom entführt wurde. Sagte er doch, als die Kidnapper Lösegeld forderten: "Ich habe noch 14 Enkel, wenn ich jetzt zahle, wird man die auch entführen."
Paul Getty traf das Schicksal besonders hart: Er wurde nach seiner Freilassung drogenabhängig, fiel 1981 mit einer Überdosis ins Koma und blieb, als er erwachte, blind, gelähmt und unfähig zu sprechen. Paul Getty III. starb im Februar 2011.
Kriminalfall Oetker
Zu den spektakulärsten Fällen der deutschen Kriminalgeschichte zählt die Entführung des 24-jährigen Industriellensohnes Richard Oetker. Der Student wurde im Dezember 1976 in eine enge Holzkiste gesperrt und durch Stromschläge beinahe getötet. Der Kidnapper ließ ihn nach 47 Stunden gegen Zahlung von 21 Millionen D-Mark Lösegeld frei. Er wurde gefasst und zu 15 Jahren Haft verurteilt. Oetker ist bis heute gehbehindert.
Die Entführung des Jan Philipp Reemtsma
Knapp 20 Jahre nach Oetker sorgte der Fall des 44-jährigen Literaturprofessors Jan Philipp Reemtsma für Schlagzeilen. Der Sohn eines deutschen Zigarettenfabrikanten wurde am 25. März 1996 in Hamburg gekidnappt und 33 Tage in einem Keller festgehalten. Versuche, das Lösegeld in Höhe von 30 Millionen D-Mark zu übergeben, scheiterten, da der Kidnapper Polizeipräsenz vermutete. Der Täter konnte später von privaten Ermittlern Reemtsmas gefasst werden. Der mit großer Brutalität Entführte beschrieb die schwersten Stunden seines Lebens in seinem Buch "Im Keller".
Wie er leiden die meisten Opfer unter den Folgen ihres Freiheitsentzugs und müssen die traumatischen Erlebnisse mit fachärztlicher Hilfe aufarbeiten. Kaum eine Geisel hat die Stunden des Schreckens unbeschadet an Körper und Seele verkraftet.