9/11: Österreichische Augenzeugen erinnern sich
Ein dumpfer Knall ließ Wolfgang Stotter und seine Schüler am Morgen des 11. Septembers aufhorchen. Der junge Tiroler Lehrer, der nur einen Block vom World Trade Center entfernt an einer High School unterrichtete, konnte sich den Lärm nicht erklären. "Als wir aus dem Fenster geschaut haben, wirbelten Tausende Zettel durch die Luft", erinnert sich Stotter für den KURIER.
Zeit, sich zu wundern, blieb kaum. Ein zweiter Knall erschütterte die ganze Schule und brachte das Haus zum Wackeln. Das Gebäude wurde blitzartig geräumt. "Wir wussten überhaupt nicht, was los war", schildert Stotter, "Was sollten wir tun? Wohin gehen? Niemand konnte etwas sagen." Inmitten Tausender Menschen marschierte der Tiroler in Richtung Battery Park. Dann drehte er sich um, der Atem stockte ihm: Beide Türme des World Trade Centers brannten. "Das war erst der Moment, wo ich mitbekommen habe, was los ist."
"Ein Knacken"
Ein seltsames Geräusch, "ein Knacken, wie ich es bis heute nicht vergessen habe", zwang ihn nochmals, sich umzublicken: Der erste Turm des World Trade Centers stürzte krachend in sich zusammen und eine riesige Staubwolke kam auf Stotter und die Schüler zu. "Von da an sind wir alle nur noch gerannt, alle irgendwie in verschiedene Richtungen. Es war das völlige Chaos."
Und dann war der Augenzeuge, der den Ereignissen von 9/11 so nahe war wie kaum ein anderer Österreicher, plötzlich mitten in der Wolke. "Man hat nichts mehr gesehen. Wir haben uns die Leiberl vor den Mund gehalten, um noch Luft zu kriegen." Fürchtete er zu sterben? "Für solche Gedanken war keine Zeit", sagt Stotter, der drei Schüler zusammengesammelt hatte und die rettende Brooklyn Bridge anpeilte. "Wir wollten nur vorwärts, nur raus."
Jenseits der Brücke löste sich die Wolke langsam auf. Doch Wolfgang Stotter ging weiter, stundenlang, bis er seine Wohnung in Brooklyn erreichte. Dort sah er sich in den Spiegel: Von oben bis unten grau, mit Asche bedeckt.
Zwei Wochen nach den Terroranschlägen gab es ein erstes Zusammentreffen von Schülern, Lehrern und Eltern, an Unterricht war nicht zu denken: Alle Schüler waren schwer vom Schock gezeichnet. "Manche haben im World Trade Center Elternteile verloren, manche Freunde, fast jeder hat auf irgendeine Weise jemanden verloren."
In den vergangenen zehn Jahren ist Stotter, der heute an einem Tiroler Gymnasium unterrichtet, mehrmals nach New York zurückgekehrt. Leicht war es nie, die Erinnerungen sind immer dabei. 2004 lief der passionierte Sportler beim New-York-Marathon mit. "Das hat mir dabei geholfen, aufzuarbeiten, was ich erlebt habe."
Prominente erinnern sich
OTTO SCHENK (der oft in New York inszeniert hat): "Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht in New York. Aber ich hab' zufällig den Fernseher aufgedreht. Es war wie ein böser Traum, wir haben es nicht für möglich gehalten. Wir haben dann sofort unsere Freunde angerufen. Eine fanatische Trauer war das. Wir waren ja Grauen gewohnt, durch Hitler und die Kriege, aber dass so etwas plötzlich passieren kann, war unvorstellbar. Die Welt war danach anders. Die Amerikaner waren - typisch wie bei allen Katastrophen - sehr diszipliniert und bewundernswert."
ATIL KUTOGLU "Ja, ich war am 11. September in N.Y., hatte zwei Tage zuvor meine Modeschau auf der Fashion Week, die dann natürlich abgebrochen wurde. Ich war zu einem Interview und Fototermin in Soho unterwegs. Die U-Bahn blieb irgendwo zwischen den Stationen in der Dunkelheit stehen - und das für vier Stunden! Einige Leute wussten, dass etwas Schlimmes passiert war. Ich saß da und betete. Es waren furchtbare Stunden. Immer wieder fiel der Strom aus. Schließlich gingen wir von 20 Polizisten begleitet ins Freie, wo ich erst die ganze Geschichte hörte."
ALFONS HAIDER "Es war deshalb so tragisch, weil ich zu diesem Zeitpunkt mit einem amerikanischen Freund Urlaub in Griechenland gemacht habe. Wir erfuhren von dem Unglück von einem anderen Urlauber am Strand, der aber noch keine Details wusste. Als wir dann erfahren haben, dass die Twin-Towers gefallen sind, waren wir in Panik. Denn die Schwester meines Freundes arbeitete dort. Geschlagene acht Stunden haben wir niemanden am Telefon erreicht, es war die reinste Hölle. Zum Glück hatte sie aber keinen Dienst."
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