Zum Tag der Wälder: Wie die Politik den Amazonas zerstört
Von Fee Niederhagen
Eine Million Fußballfelder. Das entspricht in etwa der Fläche an Regenwald, die in Brasilien jährlich abgeholzt, brandgerodet, illegal zerstört und dann weiterverkauft wird. Und das immer schneller. Allein im Jahr 2018 ist die Abholzung im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 13 Prozent angestiegen. Hauptgrund dafür ist die Erschließung zusätzlicher Flächen für die Landwirtschaft, die in erster Linie für Rinderfarmen genutzt werden. Zum heutigen internationalen Tag der Wälder, wirft der KURIER einen Blick auf die "grüne Lunge des Planeten".
Der Amazonas-Regenwald beherbergt das wahrscheinlich artenreichste Ökosystem unseres Planeten mit fast einem Viertel aller überhaupt bekannten Spezies und übernimmt eine Filterfunktion für das globale Klima, indem er CO2 aus der Atmosphäre in Sauerstoff verwandelt und mehr als hundert Millionen Tonnen Kohlenstoff speichert. Die Rodung ist damit nicht nur eine ernstzunehmende Thematik in Bezug auf den Klimawandel, sondern zudem in höchstem Grade lebensbedrohlich für kontaktierte sowie unkontaktierte indigene Völker, die im Amazonas leben. Im gesamten Gebiet sind etwa 20 Millionen Menschen angesiedelt.
Doch es ist der Kurs des neuen brasilianischen Präsidenten, der künftig zum größten Problem für Mensch und Natur im größten Regenwald der Erde werden kann.
Präsident handelt im Interesse der Agrarlobby
Der 63-jährige Jair Bolsonaro, Armeehauptmann der Reserve und lange der Rechtsaußen-Populist vom Dienst im brasilianischen Parlament, ist seit Neujahr das brasilianische Regierungsoberhaupt. Den Wahlsieg verdankt er, so heißt es, insbesondere seiner Nähe zur Agrarlobby. Brasilien lebt im Wesentlichen vom Export von Rohstoffen wie etwa Soja. Auch befindet sich die größte Rinderherde der Welt auf brasilianischem Boden - kein Wunder also, dass die Agrarlobby ein gewichtiger Faktor auch in der brasilianischen Politik ist.
Kein zusätzliches Land für Indigene
Unter dem Beifall dieser Agrarlobby erklärte Bolsonaro im Wahlkampf zum Beispiel, dass er als Präsident "keinen Zentimeter" zusätzliches Land für Indianergebiete mehr zulassen wolle. Die NGO Greenpeace ist darüber entsetzt. "Indigene und lokale Bevölkerungen sind essentiell für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes und somit für den gloablen Klimaschutz", so Lukas Meus, Waldexperte von Greenpeace Österreich, zur Situation der Völker im Amazonas-Regenwald.
Die weitgehend unberührten Schutzgebiete machen im Moment etwa 13 Prozent der Gesamtfläche des Waldes aus und sind als Schutzgebiete ausgewiesen und befinden sich zumeist in direkter Umgebung des Amazonas. Kurz nach Amtsantritt hat Bolsonaro die Zuständigkeit über die Schutzgebiete dem Agrarministerium übertragen. Allein im Jänner, dem ersten Amtsmonat Bolsonaros, wurden 108 Quadratkilometer Wald gerodet - das entspricht einer Steigerung von 54 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.
Morde an Indigenen und Umweltschützern
Zwei Prozent aller – illegalen – Rodungen finden in den Schutzgebieten statt und bedrohen damit in direkter Weise den Lebensraum der dort siedelnden Völker. Die Wald-Wilderer sind bewaffnet und schrecken nicht davor zurück, Verteidiger des Waldes oder Zeugen mit Waffengewalt oder sogar Mord aus dem Weg zu räumen. Auch für Umweltschützer ist Brasilien ein gefährliches Pflaster: Die NGO Global Witness zählte allein seit 2015 über 140 Morde im Zusammenhang mit dem Schutz des Regenwaldes, viele davon an Indigenen. Alleine 2017 starben 57 Menschen. Damit gilt Brasilien als das tödlichste Land für Umweltschützer überhaupt, doch die Strafverfolgung wird nur unzureichend durchgesetzt. Meus lässt sich davon nicht einschüchtern: "Greenpeace steht Seite an Seite mit den indigenen Bevölkerungen Brasiliens und wird sie mit aller Kraft im Kampf für ihre Menschenrechte unterstützen."
Gleichgültigkeit
Bolsonaro spricht sich dazu ganz offen gegen Umwelt- und Klimaschutz aus und begünstigt so indirekt illegale Rodungen. Schon vor seinem Amtsantritt wurde die für November 2019 geplante Klimaschutzkonferenz abgesagt, Als Grund dafür wurde damals "Geldmangel" angegeben. Und das, obwohl die Konferenz schon im Budget eingeplant war. Doch Klimaschutz ist für den Präsidenten "keine Priorität", wie dieser bereits im damaligen Wahlkampf zu Protokoll gab. Eine ähnliche Regenwald-Politik herrschte in Brasilien zuletzt in den 70ern, während der damaligen Militärdiktatur.
20 Prozent weniger Regenwald
Seitdem, in den letzten 50 Jahren also, sind 20 Prozent des Waldes Nutzflächen gewichen. Und das, obwohl der Wald eines der wichtigsten Ökosysteme für den gesamten Planeten darstellt: Die Bäume verwandeln CO2 aus der Atmosphäre in Sauerstoff, machen also das größte Klima-Problem einfach zu Atemluft. Zudem schützt die entstehende Wolkendecke vor Austrocknung und Überhitzung der Landmassen, von der Artenvielfalt ganz zu schweigen. Damit kommt Brasilien auch eine zentrale Rolle internationalen Klimaverhandlungen zu. Doch wie sich diese und auch die Zukunft des Regenwaldes mitsamt aller Pflanzen, Tiere und Menschen die in und mit ihm leben entwickelt, ist im Moment tatsächlich von der Politik eines einzelnen Mannes abhängig.