Wie der Promi-Hotspot Zyperns zur Geisterstadt verkam
Von Julia Deutsch
In den 60er-Jahren und frühen 70ern gab es neben der französischen Riviera auch noch einen weiteren wichtigen Hotspot für die Hautevolee. Der Strand Varosha in Nordzypern, im südlichen Teil der Stadt Famagusta, wurde von Filmstars wie Brigitte Bardot und Elizabeth Taylor frequentiert, die dort ihren Sommerurlaub genossen. Wer etwas auf sich hielt, war angehalten, sich in Varosha blicken zu lassen – Blitzlichtgewitter inklusive.
Trennung der Insel und Absperrung des Strands
Damit war vor 50 Jahren jedoch schlagartig Schluss. Am 20. Juli 1974 landeten türkische Truppen auf der Insel, mit dem Auftrag, die türkisch-zypriotische Volksgruppe vor Putschisten zu schützen. Fünf Tage zuvor wollten sich nationalistische griechische Zyprioten der damals herrschenden Diktatur in Athen anschließen und putschten den zypriotischen Präsidenten aus dem Amt. Laut Verfassung waren die Türkei, Griechenland und Großbritannien die Garantiemächte der Insel - es stand ihnen zu, einzugreifen, sollte die Verfassung gefährdet oder verletzt werden.
Türkische Truppen besetzten die Stadt und erklärten das Areal als Sperrgebiet. Der beliebte Strand Varosha wurde abgeriegelt, nachdem dieser im Jahr zuvor als mondänes Massentourismusziel für 53,7 Prozent von Zyperns gesamten Tourismuseinnahmen verantwortlich war. Das betraf eine blühende Infrastruktur bestehend aus über 100 Hotels und Appartement-Komplexen sowie Banken, Theatern, Kinos und Shops. Außerdem 380 Gebäude, die sich noch in der Bauphase befanden. Bilder von Zäunen, die über den malerischen Strand bis ins türkisblaue Wasser hinein gespannt wurden, schockierten die Welt.
Vermittlungen der UNO
Die Regierung in Ankara spricht bis heute von einer "Friedensoperation für Zypern". Allerdings zog das türkische Militär auch dann nicht ab, als nur wenige Tage nach dem Putsch die Demokratie wiederhergestellt wurde. Vorgeblich, um die türkisch-zypriotische Volksgruppe zu schützen, aber vor allem auch wegen der strategischen Bedeutung der Insel. Stattdessen besetzte das Militär nach gescheiterten Verhandlungen rund 37 Prozent der Fläche. Am 16. August 1974 schließlich vermittelte die UNO einen Waffenstillstand. Seither besteht die faktische Teilung Zyperns.
Geisterstadt Varosha
Das einst weltberühmte Domizil Varosha wurde durch die politischen Entwicklungen zur Geisterstadt. Bewohnerinnen wurden abgesiedelt, zurück blieben der Traumstrand und pompöse Bauten, die über die Jahre immer mehr zu Ruinen verkamen. 50 Jahre lang gab es keine Urlauber in der Gegend. Bis Varosha sich vor wenigen Jahren abermals einen Namen machte – jedoch in einem anderen Kontext – nämlich rund um "Dark Tourism". Das beschreibt eine spezielle Form des Tourismus, bei der Orte bereist werden, die historisch von Tragödien oder politischen Konflikten heimgesucht wurden. Seit 2020 können Teile des einstigen Urlaubsorts nun wieder besucht werden, nachdem die Nordverwaltung die Öffnung für Touristen beschlossen hatte. Die offizielle Einreise erfolgt nach wie vor über Südzypern, da das Gebiet nicht direkt angeflogen wird.
Die Entdeckung des verlassenen Ortes passiert in speziellen Touren, bei denen man die Auswirkungen der Besetzung live erlebt. Fotos sind dabei streng verboten, oder sollen zumindest nicht in Anwesenheit des Militärs aufgenommen werden. Auf YouTube finden sich verschiedene Berichte von "Abenteurern", die durch brüchige Stiegenhäuser steigen und die Überreste der einst berüchtigten Stadt entdecken. Was Touristen hier erleben, ist durchaus eine Erfahrung, die nicht mit den typischen Strandurlauben an der Südküste der Insel vergleichbar ist. All-Inclusive-Angebote in Südzypern boomen und machen einen wichtigen Faktor der zypriotischen Wirtschaftsleistung aus. In der türkisch besetzten Nordhälfte der Insel gibt es deutlich weniger Fremdenverkehr und die Bevölkerung ächzt unter einer Wirtschaftskrise. Dazwischen liegt eine Pufferzone, ein Niemandsland, in dem UNO-Blauhelme von der West- bis zur Ostküste patrouillieren.
Diese komplizierte Gemengelage wird auch am 20. Juli wieder zu beobachten sein. Wenn im Norden der Insel der Tag der Teilung zelebriert wird, will auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu den Festivitäten kommen. Im Süden, wo der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis erwartet wird, gilt das Datum als Tag der Trennung und Trauer.
Und so mögen viele an den traumhaften Stränden Zyperns urlauben – für die Bewohner der Insel aber ist und bleibt die Situation ein Alptraum. Weiterhin wird nach vermissten Familienmitgliedern gesucht, Besitzverhältnisse von Häusern und Grundstücken bleiben ungeklärt und die Pufferzone zieht sich wie eine gewaltige Narbe über die Insel. Die Wunden sind noch längst nicht verheilt. Ein Fakt, der bei kühlem Pina Colada, Zehen im Sand und einer leichten Sommerlektüre leicht in Vergessenheit zu geraten scheint.