Valencia sucht weiter nach Todesopfern - und zittert vor neuen Unwettern
Von Elisabeth Kröpfl
"Mörder", "Gerechtigkeit" oder "Mazón ins Gefängnis“ skandierten die Menschen auf den Straßen Valencias. Eineinhalb Wochen nach den verheerenden Überschwemmungen im Osten Spaniens zogen am Samstag rund 130.000 Menschen durch die Mittelmeermetropole.
Sie sind wütend über die späte Warnung der Bevölkerung, die schleppende Hilfe bei den Rettungs- und Aufräumarbeiten - und sie fordern politische Konsequenzen, etwa den Rücktritt des Regionalpräsidenten von Valencia, Carlos Mazón.
Regionalpräsident steht in der Kritik
Mazón, Mitglied der konservativen Volkspartei (PP), gerät seit dem "Jahrhundert-Unwetter" in der östlichen Region zunehmend unter Druck, unter anderem weil er am Tag der heftigen Regengüsse - an manchen Orten regnete es in wenigen Stunden so viel wie sonst in einem ganzen Jahr - stundenlang nicht reagierte.
Statt am Krisenstab teilzunehmen, soll Mazón am verheerenden 29. Oktober bis 18 Uhr in einem bekannten Restaurant in Valencia zu Mittag gegessen haben. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Wassermassen bereits einige Ortschaften Valencias erreicht, ganze Straßen standen schon unter Wasser. Nach Angaben der Zentralregierung in Madrid war Mazón zwischenzeitlich nicht erreichbar.
Wie später bekannt wurde, soll er sich zudem verächtlich über die Entscheidung der öffentlichen Universitäten in Valencia geäußert haben, den Lehrbetrieb wegen der Unwetterwarnungen einzustellen.
Für Kontroversen sorgt auch, dass Mazóns für Katastrophenschutz zuständige Ministerin Salomé Pradas nicht gewusst haben soll, dass man per SMS Unwetter-Warnmeldungen an die Bürger verschicken kann. Als sie darauf hingewiesen wurde und die Nachricht die Menschen am Katastrophentag kurz nach 20 Uhr erreichte, waren viele bereits von den Wassermassen eingeschlossen. Der nationale Wetterdienst Aemet hatte bereits in den frühen Morgenstunden eine Warnung ausgesprochen.
"Jeder hat getan, was er mit den Informationen, die er hatte, tun konnte", rechtfertigte sich Mazón am Montag. Und: "Es mögen Fehler gemacht worden sein", gesteht er ein. Einen Rücktritt hatte er zuvor ausgeschlossen.
Enorme Flächen betroffen
Die Aufräum- und Bergungsarbeiten in den unzähligen stark verwüsteten Gemeinden laufen indes weiter auf Hochtouren. Rund 20.000 Militärangehörige und Polizisten sowie zahlreiche Freiwillige sind beteiligt. Im Feuchtgebiet Albufera südlich von Valencia wird am Montag etwa mit Hilfe von Drohnen und Echoloten nach möglichen dorthin gespülten Opfern gesucht.
Die vorläufige Bilanz ist fatal: 222 Tote wurden bisher geborgen, 23 gelten am Dienstag noch als vermisst. Rund 530 Quadratkilometer wurden überflutet, schätzungsweise 190.000 Menschen sind von den Überschwemmungen betroffen, berichtet El País.
Regierungschef Pedro Sánchez (PSOE) verkündete am Montag, das Hilfspaket zum Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe um 3,8 Milliarden aufzustocken. Das Geld kommt zu den bereits in der vergangenen Woche angekündigten Hilfen im Volumen von 10,6 Milliarden Euro hinzu.
Sorge vor neuen Unwettern
Unterdessen wächst die Sorge vor weiteren Unwettern. Die Generaldirektion für Katastrophenschutz des Innenministeriums warnte am Montag vor heftigen Regenfällen auf den Balearen und an der Mittelmeerküste.
Ab Dienstag gilt die dritt- sowie vereinzelt auch die zweithöchste Unwetterwarnung für die Balearen, Katalonien, Teile von Valencia, Galicien und Andalusien. In der andalusischen Provinz Almería hatte es bereits am Montag starke Niederschläge und Überschwemmungen gegeben.
Das Wetterphänomen "Kalter Tropfen“ tritt in Spaniens Mittelmeerregion vor allem im September und Oktober häufig auf. Es hängt mit den stark unterschiedlichen Temperaturen von Meer und Luft zusammen. Es entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben.