Chronik/Welt

Unwetter in Spanien: Zahl der Toten bereits bei 219

Zehn Tage nach dem sogenannten Jahrhundert-Unwetter werden in Spanien immer noch 78 Menschen vermisst. Das teilte die Regierung der am schlimmsten betroffenen Region Valencia mit. Zuletzt war diese Zahl mit 93 angegeben worden. Die offizielle Zahl der Todesopfer lag weiterhin bei 219. Allein in Valencia wurden bisher 211 Leichen geborgen, die restlichen acht in den benachbarten Regionen Kastilien-La Mancha und Andalusien.

Spanien wird inzwischen von weiteren Unwettern heimgesucht. Nachdem es am Donnerstag bereits unter anderem auf Mallorca stark geregnet hatte, sorgten heftige Niederschläge in der Nacht auf Freitag in Katalonien für Überschwemmungen. In dem bei Urlaubern beliebten Fischer- und Künstlerdorf Cadaqués an der Costa Brava rissen die Wassermassen circa 30 Fahrzeuge in den Fluss, wie Bürgermeisterin Pia Serinyana Torrents mitteilte.

Keine Unwetterwarnung für Freitag

Viele dieser Fahrzeuge seien im Fluss vor einer Brücke auf und nebeneinander gestapelt zum Stehen gekommen, berichteten die Zeitung La Vanguardia und andere Medien. Für Freitag gab der spanische Wetterdienst Aemet keine Unwetterwarnung aus.

Valencia am schlimmsten betroffen

Immer noch sind Orte von Schlamm bedeckt, Tiefgaragen vollgelaufen oder Gebäude durch Autos und Hausrat blockierte Straßen nicht zugänglich. Dutzende Menschen gelten weiter als vermisst.

In dem am schlimmsten betroffenen Gebiet in der Region Valencia westlich und südlich der gleichnamigen Großstadt wächst nun die Sorge vor dem Ausbruch von Infektionskrankheiten, etwa durch noch nicht abgeholten organischen Abfall. Gesundheitsministerin Mónica García sagte dem Radiosender, es bestehe eindeutig ein Risiko. Es gebe jedoch noch keine Infektionsherde.

Auch Barcelona wurde Opfer der Überflutungen. Auf Twitter teilten Betroffene Videos von überschwemmten Autobahnen, selbst Teile des Flughafens El Prat wurden gesperrt, da Wassermassen eingetreten waren.

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Viele Menschen weiterhin vermisst

93 Menschen gelten weiter als vermisst, wie Cadena Ser unter Berufung auf jüngste Daten der Behörden in Valencia berichtete. 

54 der geborgenen Leichen seien allerdings noch nicht identifiziert, sodass sich einige der von Angehörigen und Freunden als vermisst gemeldeten Menschen unter den bisher bestätigten Toten befinden könnten.

Die meisten Todesopfer der schweren Unwetter vom Dienstag vor einer Woche gab es in der Region Valencia mit bisher 211. In Kastilien-La Mancha stieg die Zahl der Toten mit den beiden Leichenfunden auf mittlerweile sieben, ein weiterer Mensch kam in der Region Andalusien im Süden Spaniens ums Leben.

Zuvor hatte es harte Kritik allen voran aus den betroffenen Ortschaften gegeben, die sich in den ersten Tagen auf sich allein gestellt sahen. In vielen der etwa 15 besonders schlimm getroffenen Dörfer sind weiterhin Straßen von aufgetürmten Autos oder gestrandetem Hausrat versperrt und mit dickem Schlamm überzogen. Angesichts der Kritik rief Ministerpräsident Pedro Sánchez alle auf, die Diskrepanzen beiseite zu lassen. "Gemeinsam stehen wir das durch", sagte er.

Auch dank vieler Freiwilliger ist dort mittlerweile Hilfe angelaufen, und auch die Stromversorgung funktioniert zum großen Teil wieder. In dem Gebiet westlich und südlich der Stadt Valencia sorgte vor allem ein Fluss für einen Großteil der Zerstörung: Ein sonst eher trockenes Bachbett hatte sich mit den heftigen Regenfällen in einen reißenden Strom verwandelt und war Richtung Meer durch mehrere Ortschaften gerast.

Keine Österreicher betroffen

Das österreichische Außenministerium hatte vorerst keinen Hinweis darauf gehabt, dass Österreicherinnen bzw. Österreicher von der Katastrophe betroffen sind. 

"Die österreichische Botschaft in Madrid steht mit einer Handvoll österreichischer Reisenden in Kontakt, die sich aktuell in den von den Unwettern betroffenen Regionen in Spanien aufhalten. Sie sind alle wohlauf." 

Betroffene können sich jederzeit an die Notfallnummer des Außenministeriums (+43 501150-4411) wenden.

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Menschen in Einkaufszentren eingeschlossen

In Zügen, Häusern, Büros, Schulen und Einkaufszentren waren viele Tausende Menschen eingeschlossen. Andere suchten auf Dächern von Autos oder Häusern oder auf Bäumen Schutz. Sie wurden am Mittwoch von Tausenden Einsatzkräften des Militärs, des Zivildienstes, der Feuerwehr und der Polizei zum Teil unter Einsatz von Hubschraubern und Booten in Sicherheit gebracht.

Da die Notrufleitungen zwischenzeitlich überlastet waren, machten die Menschen über Social-Media-Plattformen auf ihre Notlage aufmerksam. Ein Mann, der mit sieben weiteren Personen auf einem Lastwagen festsaß, bat über einen Radiosender um Hilfe. "Wenn der Lastwagen weggespült wird, können wir uns nicht mehr retten. Helft uns!" 

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Katastrophe mit Ansage

Das Unwetter war eine Katastrophe mit Ansage: Bereits in der Woche davor wurde das gefährliche Wetterphänomen der "Dana" oder des "kalten Tropfens" angekündigt. Es tritt zu Herbstbeginn, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben, im Süden und Osten Spaniens häufiger auf.

Die Ausmaße waren diesmal jedoch weitaus schlimmer als erwartet. Mancherorts fiel innerhalb von einem Tag so viel Regen wie sonst in einem Jahr. Am Dienstag waren immer mehr Flüsse über die Ufer getreten. Der Wetterdienst Aemet sprach von einem "historischen Unwetter", dem schlimmsten solcher Art in diesem Jahrhundert in der Region Valencia.

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Straßen in reißende Ströme verwandelt

Unzählige Straßen verwandelten sich blitzschnell in reißende Ströme. Gebäude und Felder wurden unter Wasser gesetzt. Straßen, Häuser und kleinere Brücken brachen weg. Bäume, Container, Autos, Lastwagen und Menschen wurden vom Wasser wie Spielzeug mitgerissen. Fahrzeuge wurden ineinander geschoben und zu Schrottbergen aufgetürmt.

Überlebende berichteten von erschütternden Erlebnissen. Ein 57-jähriger Mann erzählte der Zeitung El País, er habe in Paiporta nahe der Provinzhauptstadt Valencia auf einem Bauwagen Zuflucht gesucht und von dort aus mehreren Menschen im Wasser helfen wollen. "Ich hielt sie an der Hand fest, aber die Strömung war so brutal und so schnell, dass wir getrennt wurden und sie von der Flut fortgerissen wurden."