Studie: Deutschland braucht 146.000 Zuwanderer aus Drittstaaten
Deutschland benötigt zum Ausgleich seines Fachkräftebedarfs einer Studie zufolge bis zum Jahr 2060 pro Jahr die Zuwanderung von mindestens 260.000 Menschen. Davon müssten voraussichtlich etwa 146.000 Menschen jährlich aus Staaten außerhalb der Europäischen Union nach Deutschland einwandern, ergab die am Dienstag von der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh veröffentlichte Untersuchung.
Zuzug besser steuern
Es sei dringend nötig, den Zuzug nach Deutschland besser zu steuern, fordern die Studienmacher. Verfasst wurde die Studie vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung und der Hochschule Coburg. Die Studienmacher kamen zu dem Ergebnis, dass nur mit einer Zuwanderung von 260.000 Menschen im Jahr der durch die Demografie bedingte Rückgang des Arbeitskräfteangebots auf ein für die Wirtschaft erträgliches Maß zu begrenzen sei.
Bei der Ermittlung dieser Zahl seien auch Potenziale der in Deutschland lebenden Arbeitskräfte eingerechnet worden. So unterstellten die Forscher in den berechneten Szenarien, dass die Geburtenrate steigt, mehr Frauen arbeiten und in Deutschland eine Pension mit 70 eingeführt wird.
Aus anderen EU-Staaten erwarten die Studienmacher im Durchschnitt einen Zuzug von 114.000 Menschen pro Jahr. Die EU könne den deutschen Arbeitskräftebedarf nicht ausgleichen. Auch bei den europäischen Nachbarn mache sich der demografische Wandel bemerkbar. Außerdem nähmen die Anreize zur Migration perspektivisch dadurch ab, dass sich die Mitgliedsstaaten wirtschaftlich anglichen.
Folglich ergebe sich ein Bedarf der Zuwanderung von mindestens 146.000 Menschen aus Drittstaaten. Der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, Jörg Dräger, verwies darauf, dass laut Ausländerzentralregister 2017 ohne Fortzüge nur gut 38.000 Fachkräfte nach Deutschland kamen. Dräger forderte: "Das Einwanderungsgesetz sollte schnell verabschiedet werden."
Es sei zu begrüßen, dass sich das Gesetz auch an Menschen mit mittlerem Qualifikationsniveau richte - hier liege der höchste Bedarf. Allerdings reiche ein Gesetz nicht aus. Ohne eine anhaltende Willkommenskultur und attraktive Integrationsangebote werde der Fachkräftemangel nicht ausgeglichen werden können.
Österreich: Andere Voraussetzungen
Auf Österreichs Situation lasse sich die Bertelsmann-Studie "nicht eins-zu-eins" umlegen, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck am Dienstag zum KURIER. "Wir haben eine andere Struktur, sind eine kleinere Volkswirtschaft, haben eine unterschiedliche demographische Entwicklung." Während in Deutschland die Bevölkerungszahl sinkt, steigt sie in Österreich deutlich an.
Den Fachkräftemangel gebe es auch hierzulande, allerdings wolle sie zuerst darauf schauen, jene in Arbeit zu bringen, die bereits hier sind und arbeiten können. "Wir haben einerseits Fachkräftemangel, andererseits aber auch 30.000 arbeitslose Asylberechtigte und 12.000 offene Lehrstellen", so Schramböck. 10.000 davon seien junge Menschen unter 25 Jahren. "Uns ist es wichtig, diese zu qualifizieren, zu integrieren, und in einen Job zu bringen."
Deshalb habe man in Wien spezifisch für diese Zielgruppe eine Jobbörse veranstaltet, an der 40 interessierte Unternehmen beteiligt waren. Im Frühling werde eine weitere in Linz und danach in Tirol stattfinden, jeweils in Kooperation mit dem AMS und Sozialministerium.
In zweiter Linie wolle Österreich aber auch für Fachkräfte aus der EU und aus Drittstaaten attraktiver werden. Für die letztgenannte Zielgruppe werde die Rot-Weiß-Rot-Karte überarbeitet. Weniger bürokratisch, laute die Vorgabe. Die Abschaffung der bisher inhärenten Altersdiskriminierung - je nach Lebensjahren gab es unterschiedlich viele Punkte - sei bereits durchs Parlament.
Künftig soll die Arbeitsberechtigung aus Drittstaaten auch digital beantragt werden können - bisher ging das nur sehr zeitraubend auf analogem Weg, über die Diplomatenpost. Und der notwendige Nachweis einer "ortsüblichen Unterkunft", schon bevor eine Arbeitskraft im Land ist, soll ebenfalls fallen, so Schramböck.