Ottawa ruft wegen „Belagerung“ durch Trucker den Notstand aus
Von Susanne Bobek
Die Proteste hatten mit dem Eintreffen des „Freedom Convoy“ (Konvoi der Freiheit) vor einer Woche mit Hunderten Lkw-Fahrern begonnen. Doch am Wochenende eskalierte die Aktion, die Bewohner von Ottawa wurden aufgefordert, die Innenstadt zu meiden. Bürgermeister Jim Watson rief den Notstand aus. Die Situation sei „völlig außer Kontrolle“, Bewohner würden von den Demonstranten belästigt, beschimpft und in ihrem Alltag blockiert.
Übermacht der Trucker
Die Demonstranten fordern das Ende aller Corona-Maßnahmen und wollen solange bleiben, bis die Regierung ihre Wünsche erfüllt. Der Bürgermeister fordert „Unterstützung anderer Gerichtsbarkeiten und Regierungsebenen“. Denn die Demonstranten seien gegenüber der Polizei in der Übermacht. „Wir müssen unsere Stadt zurückerobern.“ Der Polizeichef sprach von einer „Belagerung“ und bekommt jetzt Verstärkung durch 250 Bundespolizisten.
Im Jänner war eine Verordnung in Kraft getreten, nach der auch Lkw-Fahrer, die aus den USA zurückkehren, einen Impfnachweis vorlegen müssen. Obwohl bereits 77 Prozent der Kanadier vollständig geimpft sind, auch die meisten Lkw-Fahrer, wurde der Konvoi mit Unterstützung aus den USA, vor allem von republikanischen Trump-Freunden, organisiert.
Zehn Millionen Dollar an Spenden für Verdienstausfall der Lkw-Fahrer wurden über die Crowdfunding Plattform „Go Fund Me“ gesammelt, aber nicht ausgezahlt. Denn angeblich hätten die Organisatoren des Protests mit rechtswidrigen Aktivitäten gegen Nutzungsbedingungen der Website verstoßen, berichtete der Guardian. Prompt hieß es, das sei Willkür und politische Zensur. Jetzt soll das Geld an die Spender rückerstattet werden. Vielen Demonstranten geht also bald das Geld aus.
Donald Trump unterstützt die Trucker und heizt die Stimmung an. Premier Justin Trudeau bezeichnete er als „linksradikalen Irren“, der Kanada „mit wahnsinnigen Corona-Maßnahmen zerstört hat“. Auch Tesla-Gründer Elon Musk solidarisierte sich mit den Truckern.
Einen Mob angeheuert
Gerald Butts, ein ehemaliger hochrangiger Berater von Premier Justin Trudeau, twitterte: „Für einige hochrangige amerikanische Politiker bedeutet Patriotismus, einen Mob anzuheuern und eine G-7-Hauptstadt lahmzulegen.“
Auch Bruce Heymann, ehemaliger US-Botschafter in Kanada unter Präsident Barack Obama, forderte, Aktivisten in den USA müssten aufhören, sich in die inneren Angelegenheiten des Nachbarlandes einzumischen. „Trump und seine Anhänger sind nicht nur eine Bedrohung für die USA, sondern für alle Demokratien. Unter keinen Umständen sollte irgendeine Gruppe in den USA störende Aktivitäten in Kanada finanzieren. Punkt.“
Die Proteste der Corona-Maßnahmen-Gegner griffen am Wochenende auch auf andere kanadische Städte über, darunter Toronto, Calgary, Quebec City und Vancouver.
Die kanadische Polizei hat angekündigt, härter gegen die Trucker und ihre Unterstützer vorgehen zu wollen: „Jeder, der versucht, den Demonstranten materielle Unterstützung wie Diesel zukommen zu lassen, kann verhaftet werden.“