Nach Julens Tod: Über eine Million Mondscheinlöcher in Spanien
Das Schicksal des zweijährigen Julen, der in der Nacht auf Samstag in einem tiefen Brunnenschacht tot geborgen wurde, hat knapp zwei Wochen lang ganz Spanien und die halbe Welt in Atem gehalten. Bis zuletzt hofften viele auf ein „Wunder von Totalan“, aber vergebens.
Der Kleine war bei einem Ausflug mit seiner Familie in das Loch gefallen, das einen Durchmesser von nur 25 bis 30 Zentimetern hat. Experten erklärten, einen vergleichbaren Notfall in einer solchen Tiefe habe es weltweit noch nie gegeben. Laut Medienberichten soll die Obduktion des Kindes ergeben haben, dass Julen wohl am Unglückstag verstarb, laut Tageszeitung "Malaga Hoy" an einem Schädel-Hirn-Trauma.
Der tiefe Brunnenschacht, in den das Kind bei einem Ausflug stürzte, war zuvor auf der Suche nach Wasser ohne Genehmigung gegraben worden - in Spanien keine Seltenheit. Ein Aufruf kommt jetzt von den Behörden in Malaga. Der Delegierte der Zentralregierung in Andalusien, Alfonso Gómez de Celis, rief dazu auf, alle illegalen Schächte zuzuschütten: "Solch ein unheilvoller Zwischenfall darf sich bei uns niemals wieder ereignen."
Derartige Schächte - in Spanien auch "Mondscheinlöcher" genannt - gibt es offenbar im ganzen Land.
Spanische „Mondscheinlöcher“
Nach Schätzung der Umweltorganisation Greenpeace gibt es in Spanien über eine Million solcher illegalen Löcher. Die Zeitung „El Mundo“ schrieb, in Wirklichkeit seien es viel mehr. Und „diejenigen Bohrungen, die nicht zum Erfolg führen, werden mehr schlecht als recht zugedeckt“. Die angesehene Journalistin und Autorin Cristina López Schlichting sprach am Sonntag in ihrer Radiosendung von einer „schrecklichen Fahrlässigkeit“, von der die meisten Spanier nichts gewusst hätten.
Obwohl Spanien mit Stauseen sehr gut ausgestattet ist, leiden viele Regionen unter Wassermangel. Wie Greenpeace beklagt, wird in Landwirtschaft, Industrie und Haushalten, auch bei der Bewässerung von Golfplätzen viel Wasser verschwendet. Viele Grundstücke sind zudem nicht ans Versorgungssystem angeschlossen.
„Löchergräber“ graben Schächte in der Nacht
Viele Besitzer von Grundstücken und Fincas beauftragen sogenannte „Poceros“, erfahrene „Löchergräber“ mit Bohrungen, die oft in wahren Nacht- und Nebelaktionen nur bei Mondbeleuchtung gegraben werden. Im Volksmund heißen diese Schächte deshalb „Mondscheinlöcher“.
Der „Pocero“ Antonio Jesús Perálvarez, der pro Loch 2000 bis 4000 Euro kassiert, erzählte „El Mundo“: „Meine Aufgabe ist es, das Loch zu bohren. Um die Abdeckung kümmert sich auch bei legalen Bohrungen der Auftraggeber. Zumal der oft nach einigen Tagen wieder schauen will, ob Wasser herauskommt.“ Normal sei es, die Öffnung „mit einem großen Stein zuzudecken, den ein Kind nicht hochheben kann“.
Unfall-Loch wohl nicht ausreichend gesichert
Julens Vater räumte ein, dass das nur 25 Zentimeter breite Unfall-Loch auf dem Grundstück des Freundes einer seiner Kusinen wohl nicht ausreichend gesichert war: „Es war mit einigen Steinen zugedeckt, die sie draufgelegt haben.“ Niemand habe diese Steine entfernt. „Aber sie waren wohl nicht ganz fest. Julen ist wohl draufgetreten und durchgerutscht.“