Chronik/Welt

Milwaukee: Blutbad in Brauerei

Waffengewalt - und was man gesetzgeberisch dagegen tun kann - wird beim Parteitag der US-Demokraten, die im Juli in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin ihren Präsidentschaftskandidaten bestimmen, eine wichtige Rolle spielen. Gestern (Mittwoch) lieferte die im 18. Jahrhundert maßgeblich von deutschen Einwanderern geprägte Stadt am Michigan-See 160 Kilometer nördlich von Chicago dazu einen besonders traurigen Anlass.

In der ehemaligen Miller-Brauerei, Wahrzeichen der Stadt, mit 1500 Angestellten einer der größten Arbeitgeber der Region und Teil des Molson Coors-Bier-Imperiums, eröffnete am Nachmittag nach Angaben der Polizei ein 51 Jahre alter Mitarbeiter beim Schichtwechsel das Feuer, tötete fünf Kollegen und danach sich selbst.

Über die Motive und die Identität der Toten gab Polizeichef Alfonso Morales bei einer ersten Presse-Konferenz am Abend keine Auskunft: “Erst müssen die Angehörigen informiert werden.” Als die Polizei, durch Notrufe alarmiert, am Tatort eintraf, war das Blutbad bereits geschehen. 

Zur Tatzeit waren fast 1000 Mitarbeiter auf dem weitläufigen Firmengelände im Einsatz. Der Täter führte nach Angaben der Lokalzeitung “Milwaukee Sentinel” zwei Pistolen mit sich; eine davon war offenbar mit einem Schalldämpfer versehen.

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Spekulationen, dass der Mann kurz zuvor entlassen worden sei und sich dafür habe rächen wollen, bestätigte Gavin Hattersley nicht. Der Firmen-Chef war am Mittwoch bei einer routinemäßigen Konferenz mit Vertriebsexperten und Händlern im texanischen Houston. Als ihn die Nachricht erreichte, reiste er umgehend zurück nach Milwaukee.

“Es gibt keine Worte, um die tiefe Trauer auszudrücken, die im Moment viele von uns fühlen”, schrieb der Unternehmenschef in einer Stellungnahme. Seinen Angaben nach war der Todesschütze “aktiver Mitarbeiter" des Konzerns.

Hattersley kündigte an, dass die Brauerei “bis auf weiteres” den Betrieb einstellt, damit die Belegschaft Ruhe finde. Milwaukees Bürgermeister Tom Barrett sprach von einem “unglaublich tragischen Tag für unsere Stadt und den ganzen Bundesstaat”. 

Auch Präsident Donald Trump meldete sich zu Wort. Vor einer Pressekonferenz in Washington zum Corona-Virus sprach er den Angehörigen sein Beileid aus, nannte wie schon bei vorangegangenen Amokläufen den Todesschützen einen “bösartigen Mörder” und sagte, dass Amerika “in Gedanken und Gebeten” bei den Bürgern von Milwaukee sei.

Die oppositionellen Demokraten erinnerten dagegen mit Empörung daran, dass vor einem Jahr das Repräsentantenhaus in Washington ein Gesetz verabschiedet hatte, das generelle “Background-Checks”, sprich: die standardmäßige Überprüfung potenzieller Waffenkäufer durch die Polizei, vorschreibt. Allerdings weigert sich der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, bis heute über das Paket abstimmen zu lassen. 150 Vorstandsvorsitzende großer US-Konzerne wie Uber, Twitter und Levi Strauss hatten diese Hinhaltetaktik in einem offenen Brief Ende vergangenen Jahres als nicht länger hinnehmbar bezeichnet. Die mächtige Waffen-Lobby NRA, der sich Trump und die Republikaner verpflichtet fühlen, wehrt sich gegen zusätzliche Überprüfungen.