Marokko: Die etwas andere Schule im „glücklichen Tal“
Es sind gerade Schulferien in Marokko, trotzdem kommt ein etwa zehnjähriges Mädchen zur Schule in dem Berberdorf Tabant gelaufen. Es grüßt die pädagogische Leiterin, Itto Tapal-Mouzoun, die auf dem Grundstück wohnt. Sie habe nur schnell ihre Pflanzen gegossen, sagt sie und verabschiedet sich wieder.
Die Schule heißt „ecole vivante“ (lebendige Schule) und ist völlig anders als alle anderen Bildungseinrichtungen in der Gegend. Das Schulgebäude, das hier inmitten des Ait Bougemez Tals („Glückliches Tal“) im Hohen Atlas steht, ist umringt von einem Terrassengarten mit Kräutern, Obstbäumen und einem Hühnerkäfig.
Itto Tapal-Mouzoun grüßt die Gäste am Eingang der „ecole vivante“. Itto hieß früher Stefanie, als sie noch in Deutschland lebte, jetzt hat sie einen Berbernamen. Sie hat sich in das Tal verliebt, in Haddou, der ihr Mann wurde, in das Land und in die Religion. Itto trägt ein Kopftuch, sie lacht. Am Rücken trägt sie ihr fünftes Kind, Safia.
Hier im Ait Bougmez Tal, auf 1900 Metern Seehöhe, ist alles anders als in den großen Städten Marokkos. Das fängt schon bei der Sprache an. Hier sprechen alle Menschen berberisch – eine Sprache, die erst 2011 offiziell als Landessprache anerkannt worden ist, obwohl 65 Prozent der Marokkaner sie sprechen.
Lernen ohne Druck
„Als ich das erste Kind bekam, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es hier in eine öffentliche Schule geht“, gibt Itto zu. Diese funktionierten zwar, aber Kinder lernten dort unter viel Druck. In einem Saal sind oft 45 Schüler mit einem Lehrer zusammen. Itto studierte andere Schulkonzepte. Ihr Mann und sie starteten mit 16 Schülern 2010 die „ecole vivante“.
„Wir wollten eine Schule, die den Kindern nicht irgendetwas reindrückt“, sagt sie. Die Schulbücher, die es in den großen Städten gibt, haben mit der Realität der Talkinder nichts zu tun. Dort seien Schiffe, Züge oder Ampeln abgebildet. Dinge, die sie noch nie gesehen haben.
Viele Menschen im Tal leben im Einklang mit der Natur. Es beschäftigt sie, wann es Regen geben wird, wie viel die Tiere essen müssen und wann geerntet werden muss. Viele der Kinder haben noch nie einen Stift oder ein Buch in der Hand gehalten.
Die „ecole vivante“ versucht, diese Lebensrealität mit dem straffen marokkanischen Lehrplan in Einklang zu bringen. Mit einer Lehrkraft pro acht Schülern. Ein Schlüssel, der laut Tapal-Mouzoun notwendig ist: „Die meisten der Kinder würden in Europa als hyperaktiv gelten“, sagt Itto.
Deshalb verbringen sie einen Großteil des Unterrichts draußen oder mit handwerklichen Übungen. Geometrische Figuren etwa bauen sie selbst. Im Garten hat jedes Kind einen Bereich, in dem es etwas pflanzt. Die Kinder lernen Verantwortung für ihre Pflanze. Deshalb kam das Mädchen an einem freien Tag in die Schule.
Grazer sammeln
Nach neun Jahren besuchen 72 Schüler zwischen 5 und 15 Jahren die Schule. Finanziert wird das alles durch Spenden. Teils aus Marokko, aber zu einem großen Teil auch von Bekannten der Familie Mouzoun in Deutschland, der Schweiz und Österreich.
Der Grazer Verein „Weltweitwandern wirkt“ hat viel zum Wachsen der Schule beigetragen. Die Mittelschule etwa, die es seit 2016 für die älteren Schüler gibt, wurde durch seine Mittel aufgebaut.
Dieser Artikel ist durch eine Einladung von Weltweitwandern entstanden. Spenden an den Verein „Weltweitwandern wirkt“: Kontowortlaut: Weltweitwandern Wirkt, IBAN: AT48 2081 5000 4251 3499, BIC: STSPAT2GXXX, Kennwort: Marokko