Chronik/Welt

Tod im Krankenhaus: Wenn Ärzte Abtreibungen verweigern

Valentina ist mit Zwillingen schwanger und überglücklich. Plötzlich wird die Schwangerschaft kompliziert, Valentina muss ins Krankenhaus. Ihr Muttermund ist zu weit geöffnet. Im Krankenhaus sagen sie nur, sie solle sich ausruhen. Sie machen nicht einmal einen Ultraschall. Dann bekommt Valentina plötzlich hohes Fieber, alles tut weh, sie erbricht. Dann die Diagnose: Valentina und ihre Zwillinge haben eine Sepsis, eine der schlimmsten Komplikationen bei Infektionskrankheiten, die lebensbedrohlich ist.

"Sie haben nichts gemacht", sagt Valentinas Vater über das Krankenhauspersonal. Der Arzt meinte bloß: "Ich kann die Kinder nicht umbringen." Ihr Herz schlage noch und Schwangerschaftsabbrüche verweigere er aus Gewissensgründen. Dann hört das Herz des einen Kindes auf zu schlagen. Valentina schreit unter den Schmerzen. Doch der Arzt greift erst ein, als das Herz des zweiten Kindes ebenfalls verstummt. Zu spät. Valentina stirbt.

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"Sie haben meine Tochter umgebracht", sagt ihr Vater. "Unter tausend Schmerzen“, ergänzt die Mutter. Das war im Jahr 2016. Im Juli 2019 werden sieben Ärzte in Italien vor Gericht stehen.

Zwei Frauen sind in den letzten sieben Jahren in europäischen Krankenhäusern gestorben. Andere sind dem Tod knapp entronnen, tragen körperliche und seelische Narben davon, mussten hunderte Kilometer reisen, um eine erlaubte medizinische Behandlung zu bekommen. Ein paar davon erzählen ihre Geschichte im Dokumentarfilm "Abandoned" ("Im Stich gelassen") von der österreichischen Filmemacherin Patricia Marchart.

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"Ich habe von Valentinas Fall gehört und bin nach Rom geflogen, habe ihre Eltern kennengelernt", sagt Marchart, "Am Anfang habe ich überhaupt nicht gewusst, was das bedeutet, Verweigerung aus Gewissengründen."

In Italien verweigern 70 Prozent der Ärztinnen und Ärzten Abtreibungen, so eine Erhebung aus dem Jahr 2013. Die regionalen Unterschiede sind enorm. In Molise sind es etwa 93,3 Prozent, die sich auf ihr Gewissen berufen. In der autonomen Region Aostatal sind es bloß 13,3 Prozent.

Die Verweigerung aus Gewissensgründen, kurz: Gewissensklausel, ist in vielen Ländern genauso alt wie die Fristenlösung. In Österreich gibt es beide Bestimmungen seit der Strafrechtsreform im Jahr 1975. Im Gesetz heißt es, dass kein Arzt und keine Ärztin gezwungen werden darf, einen Abbruch durchzuführen. Wie viele diese Gewissensklausel in Anspruch nehmen, dazu gibt es in Österreich keine aussagekräftigen Zahlen.

Nach dem Gesetz sind Medizinerinnen und Mediziner dazu verpflichtet einen Abbruch durchzuführen, wenn die Schwangere in Lebensgefahr schwebt, die nicht anders abgewendet werden kann. Darunter fällt etwa ein Unterleibskarzinom oder ernste Suizidgefahr.

Tragend wir die Gewissensklausel in Österreich nicht im Falle eines medizinischen Notfalls, sondern vor allem bei straffreien Abbrüchen innerhalb des ersten Trimesters, also bei der Fristenlösung.

Was heißt Lebensgefahr?

Etwa im Burgenland werden in keinem Landeskrankenhaus solche Abbrüche gemacht. Bei Erkrankung der Schwangeren oder des Fötus hingegen schon. Das gibt der Krankenhausträger KRAGES vor.

In Salzburg ist die Situation ähnlich. Einen Schwangerschaftsabbruch nach Fristenlösung bieten nur Wiener Ärztinnen und Ärzte an, die extra nach Salzburg reisen. Die Pressesprecherin des Krankenhausträgers SALK betont allerdings, dass Schwangere bei medizinischen Notfällen auf keinen Fall abgewiesen werden.

"Die Regelung ist völlig unbrauchbar", sagt Christian Fiala trotzdem. Er ist Gynäkologe, führt selbst Schwangerschaftsabbrüche im ersten Trimester durch und setzt sich dafür ein, dass die Frau allein entscheiden darf, ob sie einen Abbruch will. Für den Dokumentarfilm "Abandoned" hat er die Rahmenbedingungen in europäischen Ländern recherchiert. "Niemand kann vorhersehen, ob jemand stirbt. Das weiß man erst, wenn die Frau tatsächlich verstorben ist."

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Fiala betreibt die Website conscientious-objection.info und dokumentiert dort Fälle, in denen Frauen in Extremsituationen ein Abbruch verwehrt wurde. Geschichten aus Österreich gibt es auf der Website nicht. Allerdings würden sich oft Patientinnen an ihn wenden, denen trotz medizinischer Gründe der Abbruch verwehrt wurde.

Fiala kritisiert außerdem, dass die Krankenhausträger entscheiden, dass keine ungeplanten Schwangerschaften beendet werden. "Im Endeffekt geht es um Selbst- oder Fremdbestimmung durch den Staat. Das ist der zugrundeliegende Konflikt", sagt er, "Niemand wird gezwungen, Arzt zu werden. Wir sind Dienstleister und unseren Patienten verpflichtet. Wir können uns nicht nach Belieben aussuchen Patienten abzulehnen."

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Das sieht Juristin und a.o. Universitätsprofessorin Maria Eder-Rieder anders. Sie hat den Wiener Gesetzteskommentar zum Schwangerschaftsabbruch geschrieben und findet die Gewissensklausel mit der Grenze der Lebensrettungspflicht strafrechtlich unbedenklich. "Meines Erachtens liegt es im Ermächtigungsbereich der Krankenhausträger mit Frauenheilkunde zu entscheiden, welche Art von Behandlungen und Operationen angeboten werden", sagt sie. "Wie die Praxis im Rahmen der Fristenlösung genau funktioniert, bedarf einer empirischen Untersuchung."

In anderen europäischen Ländern gibt es die Gewissensklausel gar nicht. Etwa in Schweden haben Schwangere seit 1975 bis zur 18. Woche das Recht auf einen sicheren Abbruch in jedem öffentlichen Krankenhaus, ohne einen medizinischen Grund anzugeben.

Dokumentarfilmerin Patricia Marchart hofft, dass der Film viel Diskussion auslöst und "dass Ärzte, die Abbrüche global verweigern, ihren Standpunkt überdenken."

Die nächste Vorführung von "Abandoned" findet am 25. Juni um 18:30 Uhr im Wiener Admiralkino mit anschließender Diskussion statt. Der Eintritt kostet 8 Euro.

Mehr zum Film unter abandoned.film