Chronik/Welt

Filmemacher Polanski in Frankreich vor Gericht

Roman Polanski hat stets gezeigt, was er von den Vorwürfen mehrerer Frauen, sie in jungem Alter vergewaltigt zu haben, hält: nichts.

Stattdessen warf er ihnen vor, die Unwahrheit zu sagen. So erschien es folgerichtig, dass der französisch-polnische Filmemacher zum Auftakt des Prozesses wegen Verleumdung am gestrigen Dienstag gar nicht erst erschien, den die britische Schauspielerin Charlotte Lewis gegen ihn und die französische Illustrierte Paris Match angestrengt hatte.

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Er hatte 2019 in einem Interview ihre Anschuldigungen, sie als junges Mädchen sexuell missbraucht zu haben, als „abscheuliche Lügen“ bezeichnet. Man erwähne Lewis in „der Liste meiner Anklägerinnen“, ohne „ihre eigenen Widersprüche aufzudecken“, sagte er damals.

Hohe Auszeichnungen

Die heute 56-Jährige gab an, dass er sich 1983 nach einem Casting in seiner Pariser Wohnung „auf die schlimmstmögliche Art und Weise“ an ihr vergangenen habe. Polanskis Verteidigung verweist auf ein Interview aus dem Jahr 1999, in dem Lewis von ihrer Faszination für den Regisseur sprach, dessen Geliebte sie habe werden wollen. Sie selbst sagt, sie sei im Artikel falsch zitiert worden. Dessen Autor, der Journalist Stuart White, ist als Zeuge geladen.

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Gegen den mit drei Oscars und der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichneten Regisseur von Kultfilmen wie „Tanz der Vampire“ und „Der Pianist“ gab die US-Justiz 1977 einen internationalen Haftbefehl aus. Er soll eine damals 13-Jährige vergewaltigt haben, nachdem er ihr Drogen verabreicht hatte. Um einer drohenden langjährigen Haftstrafe zu entgehen, setzte sich Polanski nach Europa ab. Länder wie Frankreich und Polen, deren Staatsbürger er ist, lieferten ihn nicht aus. 2009 wurde Polanski in der Schweiz festgenommen und musste einen Hausarrest in seinem Chalet in Gstaad absitzen.

In den vergangenen Jahren haben ihn mehrere Frauen der Vergewaltigung in den 1970er- und 1980er-Jahren beschuldigt. Doch alle Fälle waren verjährt.

Inzwischen lebt der 90-Jährige wieder unbescholten in Paris. Dort kam es bei der Verleihung der Filmpreise „César“ vor vier Jahren zu einem Skandal, als sein Film „J’accuse“ um die Dreyfus-Affäre für die beste Regie ausgezeichnet wurde – trotz der bekannten Vorwürfe gegen ihn. „Das ist eine Schande“, rief daraufhin Schauspielerin Adèle Haenel, die ihrer Aussage zufolge im Teenager-Alter selbst Missbrauchsopfer durch einen Regisseur geworden war, und verließ erzürnt den Saal.

Inzwischen stellt sich die französische Kinoszene mehr in Frage, vor allem in Folge der Vorwürfe gegen Gérard Depardieu, Frauen an Filmsets belästigt zu haben; darüber hinaus laufen mehrere Anzeigen wegen Vergewaltigung gegen ihn.

„Deckmantel“

Schauspielerin Judith Godrèche erhob vor wenigen Wochen schwere Anschuldigungen gegen zwei Regisseure und wurde für die jüngste Verleihung der „Césars“ eingeladen. Dort beklagte sie, das französische Kino habe lange „als Deckmantel für einen illegalen Handel junger Mädchen“ gedient.