Chronik/Welt

Coronavirus - Virologe: Ausbruch in Italien "kam überraschend"

Das gehäufte Auftreten des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Norditalien "kam wirklich überraschend", sagte der Virologe Norbert Nowotny von der Veterinärmedizinischen (Vetmed) Universität Wien am Montag zur APA. Angesichts der aktuellen Entwicklungen sei die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie eher hoch. Um das zu verhindern, sollte nun "alles versucht" werden, so der Experte.

Bei den Coronaviren handelt es sich um eine sehr große Virusfamilie. "Es gibt sie bei nahezu jeder Tierart", sagte Nowotny. Die Ende des Jahres in China als Zoonose - also von Tier auf Mensch und umgekehrt übertragbare Infektionskrankheit - aufgetretene Variante sei aufgrund ihrer relativ einfachen Tröpfchenübertragung von Mensch zu Mensch zurecht im Fokus.

Die drei Coronavirus-Varianten, die in den vergangenen 18 Jahren den Sprung zum Menschen geschafft haben, kamen ursprünglich alle von Fledermäusen, die allerdings selbst nicht daran erkranken. Über Zwischenwirte fand die Übertragung auf Menschen statt: Bei SARS (2002) war das der Larvenroller, eine Schleichkatzenart, bei MERS (2012) waren es Dromedare und nun dürfte die erste Übertragung in der chinesischen Provinz Wuhan über das Pangolin, eine Schuppentier-Art, erfolgt sein.

Dass in Italien nun quasi "über Nacht" rund 160 Infizierte und mittlerweile mehrere Todesfälle zu beklagen sind, unterstreiche die Problematik. Die betroffenen italienischen Provinzen liegen "leider relativ nahe zu Österreich", so Nowotny. Die Absage des Höhepunktes der Karnevals in Venedig mache unter den aktuellen Umständen jedenfalls Sinn, "weil Massenveranstaltungen für respiratorische Viren natürlich eine großartige Verbreitungsmöglichkeit darstellen".

Mit dem 2002 und 2003 grassierenden SARS-Erreger mit rund 8.000 Infizierten und rund 800 Toten habe die neue Variante rund 80 Prozent ihres Erbguts gemein. Zum Glück gelte das nicht für die Todesrate, die beim neuen Coronavirus mit rund zwei Prozent deutlich niedriger liegt. Dass SARS-CoV-2 wie der so nahe Verwandte aus dem Jahr 2002 aber bald einfach verschwindet, "wird uns bei diesem Coronavirus nicht passieren", weil es sich wesentlich leichter verbreite, sagte Nowotny.

Ein "Riesenproblem" im Gegensatz zu SARS sei, dass SARS-CoV-2-Infizierte den Erreger auch wenige Tage vor dem Ausbruch von Symptomen nachgewiesenermaßen weitergeben können. Das mache das Erkennen von Erkrankten durch Screenings mittels Fiebermessen entsprechend schwierig, wie neue Studien zeigen. Um zumindest Zeit vor einem Ausbruch in Österreich zu gewinnen, rät Nowotny nachdrücklich zum Aussetzen aller Direktflüge aus ganz China nach Wien. Die neuen Entwicklungen in Italien zeigen allerdings, dass das Coronavirus auch andere Wege nach Österreich nehmen kann.

Zusätzlich sollten etwa Menschen, die am Flughafen arbeiten, die Hände regelmäßig desinfizieren. Ist eine Epidemie etwas fortgeschritten, müsse man vermehrt darauf achten, in die Ellenbeuge und nicht in die Hand zu husten. Gesichtsmasken sollten vor allem an exponierte Personengruppen ausgegeben werden.

"Nicht ganz so ansteckend"

Entwickle sich der aktuelle Ausbruch in Richtung Pandemie, werde diese vermutlich ähnlich wie bei der "Neuen Grippe" oder "Schweinegrippe" (H1N1) in Jahr 2009 und 2010 ablaufen. "Vielleicht in etwas abgeschwächter Form", vermutet Nowotny. Damals wurden weltweit rund 200.000 Todesfälle registriert. "Es sieht so aus, als wäre das derzeitige Coronavirus nicht ganz so ansteckend, wie es dieses Influenzavirus damals war", so der Wissenschafter. Dafür lag die Sterberate bei H1N1 vermutlich niedriger als bei SARS-CoV-2. "Deshalb macht es Sinn, wirklich alles zu versuchen, dass wir eben keine Pandemie bekommen." Therapien gegen SARS-CoV-2 könnte es "in den nächsten Wochen vielleicht geben", sagte Nowotny. Ein Impfstoff lasse aber vermutlich länger auf sich warten.

Insgesamt seien die Lebendtiermärkte in China auch in Zukunft das wahrscheinlichste Sprungbrett für Zoonosen. Diverse Varianten von Coronaviren kursieren etwa seit Jahrzehnten auch unter heimischen Hühnern. "Es gibt in Österreich eigentlich kein Huhn, das nicht geimpft ist", sagte Michael Hess, Leiter des Departments für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin an der Vetmeduni. Seit über 50 Jahren gebe es hierzulande auch keine einzige Ansteckung eines Menschen mit Coronaviren von Hühnern, betonte Hess. Dass die nunmehrige, recht weit entfernte Variante zu einem Problem für heimische Nutztiere wird, sei sehr unwahrscheinlich, waren sich beide Experten einig.