Brückeneinsturz in Genua: 630 Menschen sind jetzt obdachlos
Drei Tage nach dem Brückeneinsturz in Genua, bei dem 39 Menschen, darunter drei Kinder, ums Leben kamen, wird weiter unermüdlich nach Überlebenden gesucht. Laut Staatsanwaltschaft werden noch 20 Personen vermisst. 16 Menschen wurden verletzt, neun Personen schweben in Lebensgefahr.
Morgen, Samstag, findet in der ligurischen Hafenstadt ein Staatsbegräbnis für die Opfer statt. Die große Trauerfeier wird Kardinal Bagnasco auf dem Messegelände im Freien abhalten.
Papst Franziskus hat den Opfern und Angehörigen des Unglücks sein Beileid ausgesprochen und zum Gebet aufgerufen.
Zwei Tage eingeklemmt
48 Stunden nach dem Brückeneinsturz konnte der 28-jährige Gianluca aus den Trümmern geborgen werden. „Ich glaube, er konnte so lange durchhalten, weil er unbedingt unseren Sohn sehen will, der in einem Monat auf die Welt kommt“, erzählt seine hochschwangere Freundin.
Von dem Fenster ihrer Wohnung sah Cinzia direkt auf den Ponte Morandi. Dort steht noch immer der grüne LKW mit der Aufschrift „Basko“, der wenige Meter vor der Einbruchstelle zum Stehen kam. Der Lastwagen ist mittlerweile zu einem Symbolbild der Tragödie geworden. Die alleinerziehende Mutter mit ihrem Sohn wohnte direkt in dem Haus unter der Brücke in der Via Walter Fillak.
Gemeinsam mit 336 anderen Familien steht sie nun auf der Straße. „Eine Katastrophe, ich war noch im Pyjama, als um 11:26 Uhr alles einstürzte. Ich habe mein Geld, wichtige Dokumente in der Wohnung zurückgelassen, die ich nicht mehr betreten darf“, sagt die verzweifelte Frau. „Autostrade (Betreibergesellschaft, Anm.) hat unser Leben ruiniert.“
Auch die 80-jährige Signora Pina hat Tränen in den Augen. Sie war in den 1960er-Jahren in einem Bürgerkomitee engagiert, das sich vehement gegen den Bau der Brücke direkt über den Wohnhäusern wehrte.
„Ich wusste es, ich war mir sicher, dass es in einer Katastrophe enden würde. Aber die Politik hat sich nie für uns interessiert.“
630 Menschen dürfen aufgrund akuter Einsturzgefahr nicht mehr in ihre Wohnungen zurück.
Akute Einsturzgefahr
Die an die Brücke grenzenden Häuser im Viertel von Sampierdarena, die in der Nachkriegszeit gebaut wurden, werden demoliert. Ein Brückenpfeiler ist bereits um 12 Zentimeter eingesunken, lose Brückenteile fallen laufend herunter.
Der Bürgermeister von Genua, Marco Bucci, erklärt „diese Häuser können leider nicht gerettet werden“ und verspricht „wir werden uns um die betroffenen Personen kümmern“.
Wer nicht bei Verwandten oder Freunden unterkommen konnte, findet Unterschlupf in einer Einrichtung des italienischen Zivilschutzes sowie in einer Turnhalle.
Neben der Trauer um die Opfer geht die Debatte um die Schuldfrage und die Ursache des Brückeneinsturzes vom 14. August weiter. Vize-Premier Luigi Di Maio geht mit der Betreibergesellschaft „Autostrade per l´Italia“ hart ins Gericht.
Das Privatunternehmen gehört zum global operierenden Atlantia-Konzern, der auch in der Luftinfrastruktur aktiv ist und hinter dem die Benetton-Familie steht. Der Fünf Sterne-Chef kündigt eine Verstaatlichung der Autobahnen an: „Wenn die Betreiber nicht in der Lage sind, ihre Aufgabe richtig zu erfüllen, dann muss der Staat die Autobahnen übernehmen.“
Die letzte großen Arbeiten an dem Ponte Morandi fanden 1993 statt. Damals wurde ein Pfeiler verstärkt. Obwohl auch die anderen Brückenpfeiler baufällig waren, passierte nichts. Eine Generalsanierung der Brücke war laut Experten seit 25 Jahren dringend notwendig.
Erst in letzter Zeit fand eine Ausschreibung der Wartung statt. Im Herbst hätten die Renovierungsarbeiten starten sollen. Autostrade wies den Vorwurf der Vernachlässigung seiner Pflichten zurück. Die Brücke sei vorschriftsmäßig „vierteljährlich“ überprüft worden. Außerdem seien zusätzliche Tests mittels hochspezieller Geräte erfolgt.