Chronik/Welt

Biontech muss sich erster Impfschaden-Klage stellen

Das deutsche Biotechunternehmen Biontech muss sich am Montag in Hamburg dem ersten Zivilprozess wegen angeblicher Schäden durch seinen Corona-Impfstoff Comirnaty stellen. Eine Klägerin fordere wegen eines mutmaßlichen Impfschadens ein Schmerzensgeld von mindestens 150.000 Euro, teilte das Landgericht Hamburg mit.

Die Frau, die nicht namentlich genannt werden möchte, leide laut eigenen Angaben seit der Covid-19-Impfung unter anderem an Schmerzen im Oberkörper, Schwellungen der Extremitäten sowie Erschöpfung, Müdigkeit und Schlafstörungen. Biontech weist die Vorwürfe zurück. "Wir haben die von der Klägerin dargestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf der Grundlage aller zur Verfügung gestellten Informationen sorgfältig geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klage unbegründet ist", erklärte das Mainzer Unternehmen.

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In den kommenden Wochen und Monaten stehen in Deutschland potenziell Hunderte solche Klagen gegen verschiedene Impfstoffhersteller an. Zu den Beklagten gehören neben Biontech auch Hersteller wie Moderna. Bisher seien von seiner Kanzlei in 250 Fällen Klagen vor Gericht eingereicht worden, sagte der Anwalt der Klägerin, Tobias Ulbrich, von der Kanzlei Rogert & Ulbrich. Die Anwaltskanzlei Cäsar-Preller vertritt nach eigenen Angaben 100 ähnliche Fälle. Damit sei der Großteil der Kläger in diesem Themenkomplex durch eine der beiden Kanzleien vertreten, teilten die beiden Kanzleien mit.

In Deutschland sind Hersteller von Medikamenten oder Impfstoffen laut Gesetz dann für Nebenwirkungen schadensersatzpflichtig, wenn wissenschaftlich belegt wird, dass die entsprechenden Produkte im Vergleich zu ihrem Nutzen einen unverhältnismäßig großen Schaden verursachen. Genau dies solle vor Gericht dargestellt werden, sagte Ulbrich.

Konkret wolle er die Einschätzung der deutschen Behörden und der Europäischen Union (EU) anfechten, dass die Biontech-Impfung ein positives Nutzen-Risiko-Profil aufweise. Zu diesem Zweck sollen Gutachten vorgelegt werden, die die lebensrettende Wirkung sowie die positive Sicherheitsbeurteilung der Impfkampagne in Zweifel ziehen. Mit einer Entscheidung in der kommenden Woche rechne er nicht, sagte Ulbrich. Zweck der mündlichen Anhörung sei unter anderem die Erörterung der Rechtslage.

Biontech erklärte, bei den bisher durch das Unternehmen geprüften Fällen gehe es um gesundheitliche Beeinträchtigungen, bei denen es sich entweder um bekannte in den Fach- und Gebrauchsinformationen angegebene mögliche Nebenwirkungen handelt - vornehmlich temporäre Impfreaktionen wie Kopfschmerzen oder Fieber. Oder es handle sich um gesundheitliche Beeinträchtigungen, für die nach dem Stand der Wissenschaft und im Austausch mit den zuständigen Behörden bis dato kein impfstoffassoziierter Zusammenhang festgestellt wurde.

Selbst wenn Biontech vor Gericht verliert, könnte der Konzern Schadenersatzzahlungen wohl vermeiden. So sollen Impfstoffhersteller mehreren Insidern zufolge zu Beginn der Pandemie mit der EU vereinbart haben, dass die EU-Staaten und nicht sie für die finanzielle Entschädigung bei möglichen Nebenwirkungen aufkommen. Auch Biontech und Pfizer, die bei der Herstellung des Comirnaty-Impfstoffs außerhalb Chinas zusammenarbeiten, gehören den Insidern zufolge zu diesen Firmen. Unklar bleibt, ob die anhängigen Kosten vollständig oder teilweise übernommen werden sollen.

Nach einer Comirnaty-Impfung bestehe vor allem bei jungen Männern ein sehr seltenes Risiko von Herzmuskelentzündungen (Myokarditis) und Herzbeutelentzündungen (Perikarditis), hatte die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) festgestellt. Der Nutzen aller von ihr zugelassenen Corona-Impfstoffe, zu denen auch das Biontech-Pfizer-Präparat gehört, bekräftigte die EMA. So seien im ersten Jahr der Pandemie schätzungsweise fast 20 Millionen Menschenleben weltweit durch Corona-Impfstoffe gerettet worden.