Florian Tursky, ÖVP: Vom Pressesprecher zum Staatssekretär
"Barfuß oder Lackschuh - alles oder nichts" - so lautet ein autobiografischer Harald Juhnke-Klassiker. Dieser trifft, wenngleich in weit weniger dramatischer Form, auch auf die politische Ausgangsposition von Florian Tursky zu. Der Ex-ÖVP-Staatssekretär geht mit seiner Kandidatur für den Innsbrucker Bürgermeister "all in“. Volles Risiko. Gelingt der Triumph, steht wohl einer noch größeren Karriere wenig im Wege. Ansonsten könnte es ihn politisch weit zurückwerfen.
Wie gut ist der Start?
Ein Mann vor seinem politischen Elchtest. Und das unter ausbaufähig-günstigen Startvoraussetzungen. Im Bund weht der ÖVP ein scharfer politischer Wind entgegen, in der Stadt scheint Turskys nach 30-jähriger bürgerlicher Trennung geschmiedetes Bündnis aus ÖVP, "Für Innsbruck“ und Seniorenbund - "das Neue Innsbruck" genannt - politischen Beobachtern zufolge noch unter einem stotternden (Wahlkampf)-Motor zu leiden.
Das wohl größte Tursky-Problem heißt Johannes Anzengruber. Der politisch renitente Ex-ÖVP-Vizebürgermeister, der so gern selbst die Volkspartei oder das Bündnis in die Wahl geführt hätte, war - nachdem man ihm erklärt hatte, dass dies nicht infrage kommt - politisch nicht mehr "einzufangen". Anzengruber kandidiert nunmehr mit einer eigenen Liste und könnte dem Tursky-Lager nach Meinung nicht weniger die entscheidenden Stimmen für einen Stichwahl-Einzug kosten.
Dabei wäre die Wahl eigentlich fast ein aufgelegter Elfmeter: Grünen-Bürgermeister Georg Willi hat eine doch sehr chaotische Amtszeit hinter sich, Streitereien waren an der Tagesordnung. Ein geeintes bürgerliches Lager hätte hier alle Chancen - doch momentan kann sich Willi durchaus die Hände reiben ob der erwarteten bürgerlichen "Stimmen-Aufspaltung“.
Woher kommt die Konkurrenz?
Und da wäre noch die im Aufwind befindliche FPÖ mit dem auch vom politischen Gegner durchaus geschätzten Bürgermeisterkandidaten Markus Lassenberger. Und eben Anzengruber. Wohl alles ist noch möglich, wohl vieles noch offen. Doch ein Honigschlecken wird der Urnengang für den 35-jährigen Tursky und sein Bündnis nicht. Er selbst verströmt - getreu seinem Naturell - unverdrossen Optimismus und sieht sich als Favorit.
Setzte alles auf die nunmehr eingesetzte, heiße Phase. Und inszeniert sich als der künftige Macher mit großen Visionen und dem Fokus für die "großen Dinge“. Als eine Art Gegensatz zu Willi, den die schwarzen Strategen als Mann der Orchideenthemen, der nur Chaos gestiftet habe, brandmarken. Der großangelegte Wahlkampfauftakt vor rund 1.000 Sympathisanten war jedenfalls schon einmal kein schlechter Anfang.
Dass der Innsbrucker zuletzt, rund fünf Wochen vor der Wahl, als Digitalisierungsstaatssekretär zurücktrat und sich statt dem Hin- und Her-Wechseln zwischen dem digitalen Wiener Regierungsparkett und dem so verschiedenen, erdigen, analogen Innsbrucker Wahlkampfpflaster ganz auf den Wahlkampf in der Landeshauptstadt konzentriert, dürfte wohl am ehesten mit einem zusammenhängen: Es brauchte einen medialen Paukenschlag samt klarem "Bekenntnis" zu Innsbruck.
Der Rücktritt sollte Tursky massiv in die überregionalen Schlagzeilen katapultieren und ihm etwas bringen, was offenbar nach wie vor fehlt: Die nötige Bekanntheit, vor allem auch beim Innsbrucker Wahlvolk.
Er war einst Pressesprecher
Im persönlichen Umgang wirkt der Bürgermeisterkandidat durchaus locker und gewinnend. Zwar steckt in ihm wohl kein Volkstribun und absolut bierzelttauglicher Kumpeltyp, aber Scheu vor den Menschen schaut auch anders aus. Ein gewisses Maß an Selbstironie und Selbstreflexion sind Tursky ebenso wie großer Arbeitseinsatz nicht fremd.
Aufgewachsen ist der am 13. Mai 1988 geborene Tursky im Innsbrucker Stadtteil Wilten.
Der ÖVP-Politiker ist mit einer Schweizer Juristin liiert und frönt in der Freizeit unter anderem gern Berg- und Klettertouren.
Der Profi Tursky ist in diesem Wahlkampf auch gleichzeitig irgendwie Lehrling. "An der Front“ um Stimmen hat der 35-Jährige bisher noch nie geworben. Gepusht und gefördert wurde Tursky in den vergangenen Jahren vor allem durch Altlandeshauptmann Günther Platter (ÖVP), der ihn 2017 zu seinem Pressesprecher bestellte. Kurze Zeit später war er als Büroleiter des Landeschefs Mastermind sowie linke und rechte Hand in Personalunion. Ein universell einsetzbarer und absolut loyaler Stratege mit einem breiten Netzwerk, an dem der studierte Kommunikationswissenschaftler ein junges Leben lang geknüpft hat. Rund um die Uhr für Platter im Einsatz, ständig erreichbar, mögliche Gefahrenquellen aufspürend, damit der Politfuchs Platter möglichst unfallfrei durch die politische Landschaft navigieren konnte.
Kurz vor Platters Abschied als Landeschef im Frühjahr 2022 wurde er - wohl kein Zufall - nach Wien gehievt. Als Digitalisierungsstaatssekretär bewies sich Tursky als zumindest guter Verkäufer von Maßnahmen, die in Österreich ohnehin längst notwendig schienen oder durch EU-Vorgaben notwendig waren. So erkämpfte er sich in Tranchen immer wieder Millionenbeträge für den in ländlichen Gegenden bis zuletzt vernachlässigten Breitbandausbau.
Bei der Umsetzung des europäischen AI-Acts präsentierte sich der junge Staatssekretär zuletzt als Musterschüler bei der Vorbereitung zur Einrichtung einer Regulierungsbehörde und einer Kennzeichnungspflicht.
Als Tursky 2017 zu Platter gekommen war, war er bereits kein Unbekannter in schwarzen Tiroler und vor allem Innsbrucker Kreisen. Dabei wählte er weniger die "Ochsentour“ über Bezirksorganisationen bzw. klassische Parteiarbeit, die mitunter relativ früh zu politischen Mandaten führen kann. Die "Ställe“, aus denen er kam, waren die Junge ÖVP und der ÖVP-nahe Österreichische Cartellverband (ÖCV), dessen Präsident er von 2013 bis 2014 ein Jahr lang war.
Mit 18 Jahren war Tursky bereits Landessekretär der Jungen ÖVP in Tirol, daraufhin vier Jahre lang Landesgeschäftsführer. Dann folgten einige Jahre als leitender Mitarbeiter einer nicht ganz ÖVP-fernen Tiroler Kommunikationsagentur - mit Arbeitsplatzschwerpunkt als Standortleiter in Wien, ehe ihn der Ruf Platters ereilte.