Chronik/Österreich

Zu viel Feuer in der Betteldebatte

Der Kampf gegen die Armut ist das tägliche Brot der Caritas. Das Sammeln von Spenden dafür ist es ebenso. "Gestatten Georg. Höchst organisierter und höchst aufdringlicher Bettler", solidarisierte sich Tirols Caritas-Direktor Georg Schärmer am Dienstag gleich zu Beginn einer Podiumsdiskussion in seiner Begrüßung mit den Menschen, um die es dabei ging. Und er stellte eine Frage, die in der seit Wochen politisch heiß geführten Debatte um das Betteln in Innsbruck auch an diesem Abend viele im Innsbrucker Haus der Begegnung umtrieb: "Warum diese hohe Betriebstemperatur? Die würde ich mir wünschen, wenn es um andere soziale Themen geht."

Gezählt und geschätzt

Kenner der Szene hatten da dem voll besetzten Saal schon Zahlen präsentiert. Michael Hennermann vom Verein für Obdachlose sprach von durchschnittlich elf Bettlern, die in Innsbruck täglich anzutreffen wären. Das habe eine Erhebung durch Streetworker ergeben. Elmar Rizzoli vom städtischen Amt für Sicherheit war das zu wenig. Er schätzte die Zahl der Bettler auf etwa 30 pro Tag.

"Das sollte nicht das größte Problem Tirols sein", befand ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf, der aber erneut die seit Anfang des Jahres geltende Bettlerregelung verteidigte. Stilles Betteln ist nunmehr erlaubt, aggressives, gewerbsmäßiges, organisiertes Betteln oder jenes mit Hilfe von Kindern hingegen verboten. Der Tiroler FPÖ geht das alles nicht weit genug. Sie schürt das Feuer und möchte die Bettler aus der Innenstadt aussperren. Zur Diskussion waren die Blauen nicht eingeladen.

Innsbrucks Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (FI) fehlte aus Termingründen. Sie weilt am Städtetag in Graz, wo sie und der Innsbrucker ÖVP-Chef Franz Gruber die Thematik am Mittwoch ansprachen. Dem von Oppitz-Plörer forcierten Anmeldesystem gab Jakob Wolf bereits am Dienstag wenig Chancen: "Das ist laut Innenministerium verfassungswidrig." Schärmer plädierte indes dafür, die Betriebstemperatur in der Diskussion um die Bettelei wieder zu senken. In Vorarlberg versucht die FPÖ das Gegenteil. Sie fordert, Verstöße gegen Bettelparagraphen als Straftat statt als Verwaltungsdelikt zu ahnden.

Im Linzer Landhaus findet heute ein Runder Tisch zum Thema Betteln statt. Geplant ist, über die Verschärfung geltender gesetzlicher Bestimmungen zu diskutieren.

Noch vor dem Sommer soll im Landtag eine Novellierung des seit 2011 bestehenden Verbots für aggressives und organisiertes Betteln beschlossen werden. ÖVP, SPÖ und FPÖ wollen, dass künftig auch „gewerbsmäßiges Betteln“ nicht mehr erlaubt ist.

Zu dem Gespräch haben Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) und sein Stellvertreter Reinhold Entholzer (SPÖ) anscheinend nur Vertreter aus Politik und Exekutive geladen. Beim Netzwerk Bettellobby OÖ stößt das auf großes Unverständnis.

„Der Gipfel scheint sich lediglich um sicherheitspolitische Aspekte zu drehen, während die sozialpolitischen Herausforderungen für unsere Gesellschaft ignoriert werden“, kritisiert Bettellobby-Sprecher Christian Diabl. Seiner Ansicht nach, wäre es sinnvoll gewesen, auch Experten aus sozialen Hilfsorganisationen, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft an den Runden Tisch zu bringen. „Caritas, Rotes Kreuz und die Arge für Obdachlose stehen im direkten in Kontakt mit den Betroffenen. Sollte man an einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema und an einer nachhaltigen Lösung interessiert sein, müsste man auch diese Leute einbinden.“

Ohne solche Experten sei eine Verbesserung der Lage für alle Beteiligten nicht zu erwarten. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Politik – getrieben vom Boulevard – nur nach einer neuen Handhabe sucht, um Armutsreisende aus den Innenstädten zu vertreiben.“ Es sei aber illusorisch zu glauben, dass polizeiliche Repression Menschen davon abhalten werde, ihre Heimat zu verlassen.