Zoll: Über 300.000 gefälschte Produkte im Vorjahr beschlagnahmt
Marken- und Produktpiraterie führen nicht nur zu wirtschaftlichen, sondern oft auch zu gesundheitsschädlichen Gefahren. Um vor diesen Risiken zu warnen und das Bewusstsein der Menschen zu stärken, veröffentlicht das Bundesministerium für Finanzen seit 2006 jährlich den Produktpirateriebericht und übermittelt diesen auch dem Nationalrat.
Im Jahr 2021 hat sich die Anzahl der beschlagnahmten Sendungen gegenüber dem Vorjahr um rund 150 Prozent erhöht. Treiber des Anstiegs waren vor allem Fälschungen, die über das Internet verkauft und per Post geliefert werden. Dabei hat der österreichische Zoll 8.210 Sendungen mit 317.814 gefälschten Produkten im Gesamtwert von 12,3 Millionen Euro – gemessen am Originalpreis – abgefangen und beschlagnahmt.
Empfindliche Geldstrafen
Daraus resultierte auch eine Zunahme der Rechtsverfahren auf 14.808 Verfahren, was gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von rund 122 Prozent darstellt. Wer Fälschungen über das Internet bestellt, kann sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich verfolgt werden und das kann mit empfindlichen Geldstrafen geahndet werden.
"Produktpiraterie und die Verletzung der Rechte von gesetzestreuen Herstellern und Händlern ist ein enormes Problem für unsere Wirtschaft. Um die redlichen Unternehmerinnen und Unternehmer zu unterstützen, sind der Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums unerlässlich", hält Finanzminister Magnus Brunner angesichts der Präsentation des Produktpiraterieberichts fest.
Dass der e-Commerce mit Plagiaten boomt, bezeugt ein besonders kurioser Fall: Verantwortlich für die erhebliche Steigerung im Vorjahr war vor allem ein einziger chinesischer Versender, der von Ende 2020 bis März 2021 einige tausend Sendungen mit extrem günstigen, gefälschten Markenartikeln (vor allem Textilien, Schuhe, Taschen, Brieftaschen und Mund-Nasen-Masken mit Logos verschiedener Rechtsinhaber) per Post nach Österreich versendet hat.
Kontrollen wirken
Das Zollamt Österreich hat auf diese Flut der Sendungen rasch reagiert und entsprechend gezielte Kontrollen durchgeführt. Dadurch konnte erfolgreich verhindert werden, dass die Fälschungen nach Österreich gelangen. Danach „normalisierte“ sich die Situation wieder weitgehend und die im Postverkehr aufgegriffenen Fälschungen bewegten sich wieder auf dem Niveau des Vorjahres.
Besonders erschreckend sind auch die aktuellen Zahlen in Bezug auf aufgegriffene gefälschte und illegale Medikamente: 7.983 Zollaufgriffe stellen im Vergleich zum Jahr 2020 eine Steigerung von 133 Prozent dar. Den traurigen Rekord bilden die dabei aufgegriffenen 2,62 Millionen Stück Medikamente – im Vergleich zum Vorjahr ein Plus 650 Prozent. Diese Rekordmenge ist vor allem auf einen Medikamentenschmuggelfall mit 2,16 Millionen Pseudoephedrin-Tabletten zurückzuführen - eine Chemikalie, die zur Herstellung der Droge Methamphetamin („Crystal Meth“) benötigt wird.
Wenngleich es sich hier um einen Fall im Zusammenhang mit internationaler Drogenkriminalität handelt, zeigt er auch auf, wie nahe sich Drogenschmuggel und Medikamentenschmuggel sind und dass sich Schmuggelbanden durchaus auch in beiden „Geschäftsfeldern“ engagieren. Bei den gefälschten Medikamenten handelt es sich in erster Linie um Fälschungen bekannter Wirkstoffe bzw. Marken von Potenzmitteln.
Anstieg bei Wurmmittel
Äußerst besorgniserregend sei auch die Tatsache, dass 2021 die Aufgriffe des Wurmmittels „Ivermectin“ förmlich explodiert sind, heißt es beim Finanzminsterium. Bei Schwerpunktkontrollen des österreichischen Zolls – vor allem in den Postverteilerzentren – wurden 2021 bei 837 Aufgriffen insgesamt 41.719 Tabletten dieses Arzneimittels aufgegriffen, davon alleine 743 Sendungen mit 33.394 Tabletten zwischen September und Dezember 2021.
"Die Bedingungen, unter denen gefälschte Medikamente produziert, gelagert und transportiert werden, entsprechen nicht annähernd den geltenden Standards der Pharmaindustrie. Das Ergebnis sind oft mit Schadstoffen verunreinigte Medikamente oder Medikamente, die über- oder unterdosiert sind, oder solche, die überhaupt wirkungslos sind", erklärt Gerhard Marosi, Produktpiraterie-Experte im Finanzministerium.
Vertrieben werden diese Fälschungen über Online-Portale, die den Konsumentinnen und Konsumenten Echtheit und Seriosität vortäuschen. Tatsächlich steht hinter diesen illegalen Machenschaften vor allem die organisierte Kriminalität, die keinerlei Rücksicht auf den gesundheitlichen oder finanziellen Schaden für die betrogenen Kundinnen und Kunden oder die Folgekosten für die Gesellschaft nimmt.
Arbeitsplätze in Gefahr
In Österreich schaffen schutzrechtsintensive Wirtschaftszweige rund 30 Prozent aller Arbeitsplätze – das sind mehr als 1,2 Millionen beschäftige Menschen. Rund 44 Prozent des BIP entfallen zudem auf diese Wirtschaftszweige. Vor diesem Hintergrund ist umso besorgniserregender, dass laut Studien der OECD und des Amtes der EU für geistiges Eigentum (EUIPO) Produktfälschungen und der Schmuggel dieser laufend zunehmen und damit auch diese Arbeitsplätze gefährden.
"Neben dem Schaden für den heimischen Wirtschaftsstandort durch Umsatzeinbußen stellen gefälschte Arzneimittel eine enorme Gefahr für die Konsumentinnen und Konsumenten sowie besonders für kranke Menschen dar, die auf die heilende Wirkung der Mittel vertrauen. Umso wichtiger bleibt auch weiterhin die herausragende Arbeit aller Zollbeamtinnen und Zollbeamten. Denn nur dank ihrem tagtäglichen Einsatz bei Schwerpunktkontrollen im Postverkehr und Internethandel gelingt es, solche großen Mengen aus dem Verkehr zu ziehen und Menschen und Wirtschaft vor solchen Betrugsmodellen zu schützen", so Finanzminister Magnus Brunner.