Chronik/Österreich

Zäher Kampf gegen den Ausverkauf

Der Kampf gegen illegale Zweitwohnsitze in Tourismusgemeinden brachte den Bad Gasteiner Bürgermeister dazu, eine behördliche Bausperre anzustoßen. Er vermutet, dass zwei Bauprojekte nicht als Hotelanlagen betrieben werden, sondern als Ferienwohnsitze dienen sollen. Auch im Pinzgau sorgt das Thema Zweitwohnsitze regelmäßig für Gesprächsstoff. Zuletzt standen zwei geplante Chalet-Dörfer im Mittelpunkt einer lebhaften Debatte.

In Neukirchen am Großvenediger plant ein niederländischer Investor die Errichtung von 63 Häusern. Für die "Nationalpark Chalets" sollen rund 35.000 Quadratmeter verbaut werden. An Käufer aus der Region richtet sich das Projekt wohl kaum: Der Kaufpreis beginnt bei rund 400.000 Euro. Auf der Internetseite des Betreibers wird mit Wertsteigerung und Altersvorsorge geworben.

In Maria Alm sollen zu den bereits existierenden 5500 Gästebetten ab Herbst neun Apartmentblocks mit mehr als 500 Betten entstehen. Die Befürchtungen, dass mit diesem Projekt die Zahl der Zweitwohnsitze weiter steigen könnte, weist Bürgermeister Alois Gadenstätter vom Tisch. "In allen Kaufverträgen ist geregelt, dass die Wohnungen auf die gesamte Besitzdauer vermietet werden müssen." Die Gemeinde habe zudem ein Mitspracherecht, falls der Betreiber der Anlage wechseln sollte.

Beweispflicht

Weitere Zweitwohnsitze will er wie sein Gasteiner Amtskollege nicht dulden. "Wir haben aus den 70er-Jahren einen Zweitwohnsitz-Anteil von rund 50 Prozent." Als Lösung schlägt er etwa die Umkehr der Beweispflicht vor. Derzeit müssen nämlich die Gemeinden nachweisen, dass eine Immobilie widerrechtlich als Zweitwohnsitz genützt wird.

An den aufwendigen Ermittlungsverfahren scheitern die Behörden auch immer wieder in Tirol. Der Nachweis, dass es sich bei einem Haus oder einer Wohnung um einen illegalen Freizeitwohnsitz handelt, ist schwierig.

Derzeit ist gerade eine Novelle des Tiroler Raumordnungsgesetzes in Ausarbeitung. Darin soll auch die Beweislastumkehr verankert werden. Dann müsste der Besitzer nachweisen, dass er keinen illegalen Freizeitwohnsitz betreibt – und nicht die Behörde. Gleichzeitig sollten die Gemeinden angehalten werden, intensiver zu kontrollieren.

Die Nachfrage nach Feriendomizilen ist im Westen Österreichs jedenfalls groß. Der Ausverkauf durch reiche Investoren, die in ihren Lieblingsferienorten – egal ob in Salzburg, Tirol oder Vorarlberg – ein Domizil haben möchten, schreitet voran.

Für großen Wirbel haben daher zuletzt Begehrlichkeiten aus Tiroler Bauernkreisen gesorgt. Sie möchten im neuen Raumordnungsgesetz eine Möglichkeit verankert wissen, dass auch auf Bauernhöfen Freizeit- oder Zweitwohnsitze genehmigt werden können. Die Wünsche kommen ausgerechnet aus dem Kitzbüheler Raum, in dem der Anteil an Ferienwohnsitzen besonders hoch ist.

Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Hechberger kennt den Vorschlag und relativiert: "Das wäre ohnehin nur in wenigen Fällen möglich". Zweitwohnsitze auf Bauernhöfen wären demnach nur in Gemeinden möglich, die noch nicht über der gesetzlich eingezogenen Grenze von acht Prozent Freizeitwohnsitzen pro Ort liegen. Diese Marke hatten etliche Orte im Bezirk Kitzbühel schon überschritten, als diese Schranke eingeführt wurde.

Das Aufweichen der Freizeitwohnsitz-Regeln ist Inhalt politischer Auseinandersetzungen. Die Grünen sind dagegen. Mit ihnen muss die ÖVP die Novelle verhandeln. "Derzeit gibt es in diesem Bereich noch keine Einigung", sagte der grüne Klubobmann Gebi Mair am Dienstag.

Es ist eine Gratwanderung zwischen dem EU-Recht, dass keine Ungleichheiten von Unions-Bürgern in den Mitgliedsländern zulässt, und dem Versuch, Österreichs Tourismusgemeinden vor dem Ausverkauf zu schützen. Jedes Bundesland geht dabei seinen eigenen Weg. Die rechtlichen Grundlagen für den Umgang mit Zweit-bzw. Ferienwohnsitz-Immobilien sind die jeweiligen Raumordnungsgesetze.

EU-Klage drohte

Vorarlberg musste seines im vergangenen Jahr anpassen, um eine Klage der EU-Kommission zu verhindern. Anlass war die Genehmigung von Ferienwohnungen in Lech. Der noble Skiort am Arlberg steht exemplarisch für die Problematik der Freizeitwohnsitze in den touristischen Zentren Österreichs.

Das Skidorf ist bei Reich und Schön beliebt. Dass etwa Promis wie Ex-Telekom-Boss Ron Sommer oder Formel-1-Star Sebastian Vettel zu Ferienwohnungen kamen, während andere leer ausgingen, führte zur Kritik. Ludwig Muxel, Bürgermeister von Lech, sah sich dem Vorwurf der Freunderlwirtschaft ausgesetzt. Bis zur Novelle konnten Gemeinden bei „besonders berücksichtigungswürdigen Gründen“ Ausnahmen erteilen. Dieser Passus wurde nach den Klagsdrohungen der EU gestrichen.

Rund 75 Anträge lagen damals aber bereits in Lech vor. Hinter ihnen verbergen sich bis zu 400 Ferienwohnungen. „Die Gemeinde arbeitet diese Anträge nun Schritt für Schritt nach dem aktuellen Raumplanungsgesetz ab“, sagt Muxel. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich die Antragsteller nicht auf die alte Regelung berufen. Da der darin enthaltene Ermessensparagraf EU-rechtswidrig ist, könnten sie so zu ihrer Genehmigung kommen.

Ermittlungen in Lech

Gleichzeitig sieht sich Muxel gerade wieder mit Ermittlungen wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs konfrontiert, wie die Vorarlberger Nachrichten berichten. Es geht dabei um den Verkauf einer Ferienwohnung. Muxel weist alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe von sich.

Kritikpunkt bei den Raumordnungsgesetzen ist oft die Definition von Zweitwohnsitzen. Der auf solche Streitfragen spezialisierte Rechtsanwalt Siegfried Kainz hält die Begriffsklärung im Salzburger Raumordnungsgesetz für „völlig verunglückt“. Menschen, die zwar einen Zweitwohnsitz gemeldet hätten, ihn aber für ihre Arbeit brauchen, seien hier oftmals benachteiligt, meint Kainz. Die für Raumordnung zuständige Landesrätin, Astrid Rössler (Grüne), will hier nachschärfen. Der Entwurf für eine neuerliche Novelle soll im Sommer stehen.

Einen wackeligen Tanz auf dem Drahtseil der EU-Rechtmäßigkeit vollführt Tirol praktisch seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union. Gerade wird wieder an einer Novelle gebastelt (siehe Artikel oben). Die im Laufe der Jahre eingeführte Deckelung von Freizeitwohnsitzen auf maximal acht Prozent an der Gesamtzahl der Wohnungen einer Gemeinde kam für viele Tourismusorte zu spät. Kitzbühel zählt bei 8200 Einwohnern 1033 Ferienwohnsitze. Landesweit wurden zuletzt 2004 Zahlen erhoben.