Chronik/Österreich

WKÖ-Obmann zu Gastro-Öffnung: "Zweite Welle, dann sind wir kaputt"

Der nächste große Schritt zurück in die "neue Normalität" während der Coronakrise erfolgt am Freitag: Die heimische Gastronomie öffnet nach zwei Monaten Lockdown wieder ihre Pforten, allerdings unter rigorosen und auch für die Gäste gewöhnungsbedürftigen Vorgaben. Vor diesem Comeback der Gastro-Szene gibt es viel Vorfreude, unzählige Fragen und auch Unsicherheit bei den Unternehmern.

Dies bestätigte auch Mario Pulker, der Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), im Gespräch mit der APA - Austria Presse Agentur. "Wir blicken dem alle mit großen Erwartungen, aber auch mit einer großen Unsicherheit entgegen. Viele Mitgliedsbetriebe sagen, sie sind schon ausreserviert fürs Wochenende, wissen aber nicht, was wird unter der Woche los sein. Was ist, wenn nach den ersten 14 Tagen der erste Ansturm vorbei ist?", schildert Pulker die Stimmung in der Branche. Zudem gebe es viele Betriebe mit großer Abhängigkeit vom Tourismus.

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Zudem greift das Modell Kurzarbeit erst nach einem Monat, doch viele Betriebe können die Mitarbeiter nicht gleich zu 100 Prozent übernehmen. "Wir haben schon noch einige Parameter, die wir umschiffen müssen, damit wir die Betriebe ordentlich in die Höhe fahren können." Ein Koch komme aber nicht für 20 Stunden arbeiten, wenn er mitunter in der Arbeitslosen mehr Geld erhält. Darum hofft Pulker auf ein Kombilohn-Modell anstelle der Kurzarbeit. In diesem würde es neben dem Lohn einen staatlichen Zuschuss in einem bestimmten Prozentsatz des Arbeitslosengeldanspruches geben.

"Wir brauchen auch sehr schnell die Verordnung für die Öffnung der Hotellerie, weil allein einen Swimmingpool zu füllen, dauert oft eine Woche. Ich brauche ihn aber nicht füllen, wenn er geschlossen bleiben muss", erklärt Pulker, der selbst ein Hotel und Restaurant in der Wachau führt. Die Touristenanfragen seien da, aber ob man beispielsweise den hoteleigenen Pool benutzen darf oder nicht, spiele für eine Buchung eine wichtige Rolle.

Pulker: Rund 10 Prozent sperren wohl noch nicht auf

Für die Gastronomie rechnet Pulker vorerst mit rund 10 Prozent der Betriebe, die am 15. Mai noch nicht aufsperren werden. "Wenn du zu 90 Prozent von chinesischen Gästegruppen abhängig bist, brauchst du nicht aufsperren", nennt der WKÖ-Branchen-Obmann ein Beispiel. Eine andere Problematik biete sich vielen Betrieben, die in einer Miete oder Pacht sind und aufsperren müssen, obwohl sie wissen, dass ihr Geschäftsmodell nicht funktionieren wird. "Sie sagen: 'ich kriege keine Gäste', und der Vermieter sagt, 'ist mir egal, du zahlst die Pacht und es steht drinnen, du hast den Betrieb aufzusperren'."

Großes Sicherheitsbedürfnis

Ein großes Fragezeichen ist natürlich auch das Verhalten der Gäste und inwiefern sich österreichische Gemütlichkeit unter diesen Umständen leben lässt. Ganz klar ist für Pulker aber, dass es ein großes Sicherheitsbedürfnis gibt. "Wir haben ja auch Umfragen gemacht und da kommt ganz klar heraus, dass die Gäste ein überfülltes Lokal nicht aufsuchen werden. Den Gästen ist lieber, es ist weniger los in dem Lokal, dann gehen sie eher rein. Vor allem, wenn man drinnen sitzen muss", erzählt Pulker. Auch der Eindruck des Lokals und wie ernst dieses die Vorgabe nimmt, spiele bei den Kunden eine große Rolle.

Das System der vorgegebenen "time-slots" - also eine vorgegebene Verweildauer - dürfte nicht überbordend angewendet werden. Die Gastronomen werden da wohl auch auf die Nachfrage reagieren. Pulker dazu: "Die Frage ist, haben wir so viele Leute? Ich wünsche es unserer Branche, allein mir fehlt der Glaube." Die empfohlenen Reservierungen dienen zur Vorbereitung, zur Abschätzung wie viele Kunden kommen und auch der guten Organisation, damit sich die Leute wegen der Ansteckungsgefahr nicht vor dem Lokal sammeln.

Zwar bedankt sich Pulker bei der Regierung für das 500-Millionen-Wirtshauspaket, doch es wird nicht das Ende der benötigten Hilfe sein. "Alle anderen werden schon wieder ganz normal arbeiten, und wir werden immer noch in den Seilen hängen."

Pulker appellierte auch an die Vernunft sowohl der Unternehmer, deren Mitarbeiter und an die Gäste, sich an die Vorgaben zu halten. "Wenn wir eine zweite Welle kriegen, und die Betriebe werden wieder geschlossen, dann sind wir kaputt. Dann gibt es keine Hilfsgelder mehr, weil dann kannst das Geld entwerten." Man habe sich mit der Regierung darauf geeinigt, alle Empfehlungen in die Leitlinien zu schreiben, die nicht gestraft werden. "Wir setzen massivst auf die Eigenverantwortung."

Zum Thema Sicherheitsabstand bzw. Trennwände zum nächsten Tisch ortet Pulker nur ganz vereinzelt Plexiglas-Lösungen. Durch Holzwände getrennte Bereiche - wie etwa Logen - geben eine natürliche Trennung, Heurigen planen etwa mit Paravents zu arbeiten.

Genau angeschaut hat man sich auch die Schanigarten-Regelung und den in vielen Städten auch angebotenen Ausbau der nutzbaren Flächen. Für bis zu 75 Verabreichungsplätze brauche man keine gesonderte Betriebsanlagenverhandlung. "Da genügt es, wenn die jeweilige Stadt sagt: Okay, erstens Schanigartengebühr erlassen und zweitens kannst du den Garten ausdehnen, wenn die Möglichkeit besteht."

Die nächste große Unbekannte, die dieses Jahr eine noch massivere Rolle spielt, ist natürlich das Wetter. Wer bei Schlechtwetter genügend Platz zum Ausweichen ins Innere hat, kann sich glücklich schätzen.

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