Spionage-Prozess um BVT startete ohne den Hauptangeklagten
Am Freitag startete der mit Hochspannung erwartete Strafprozess gegen vier österreichische Top-Agenten und einen hochrangigen Fremdenpolizisten. Dem Quintett wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt (WKStA) vorgeworfen, im Rahmen der streng geheimen Operation „White Milk“ den syrischen General Khaled A. für den israelischen Mossad in Österreich Asyl verschafft und versteckt zu haben. Wer nicht erschienen ist, ist der Erstbeschuldigte, der frühere BVT-Abteilungsleiter Martin W.
W., der sich in Dubai aufhalten soll, hat der Justiz kurzfristig ein ärztliches Attest übermittelt. Die WKStA will nun von dessen Verteidiger binnen drei Tagen wissen, wann W. wieder transport- und verhandlungsfähig ist. Zugleich soll ein medizinischer Sachverständiger bestellt werden. Das Verfahren gegen W. wurde von der Richterin ausgegliedert. Wie berichtet wirft die WKStA den angeklagten Beamten Amtsmissbrauch vor.
Fakt ist, dass der frühere Vizechef des BVT Z. 2015 in Israel eine Kooperation mit dem Mossad abgeschlossen hat. Ziel der Operation war, den syrischen Geheimdienst-General A. aus Frankreich nach Österreich zu bringen, obwohl er bereits in Frankreich einen Asylantrag gestellt hatte. Der Mossad brachte den Syrer, der sich in Frankreich gefährdet fühlte, nach Österreich und bezahlte fortan dessen Unkosten. Zugleich brauchte A. aber einen offiziellen Aufenthaltstitel, er stellte in Traiskirchen einen Asylantrag, der positiv beschieden wurde. Außerdem wurde vom BVT für A. die Grundversorgung beschafft. Was Nachrichtendienst-Insider als „gängige Operation“ bezeichnen, nennt Oberstaatsanwältin Ursula Schmudermayer Amtsmissbrauch.
Als die Sache ruchbar wurde, dass sich der General in Österreich aufhält, sollen zwei Angeklagte gegenüber dem Justizministerium geschwiegen haben. Das ließen die Verteidiger nicht auf sich sitzen.
Alles ganz anders
„Der syrische General ist desertiert“, sagte Otto Dietrich, der Verteidiger des Ex-Spionagechefs P. Seine Informationen seien auch wichtig für Österreich gewesen. Stichwort: Flüchtlingsstrom. Eine Offenlegung der geheimen Operation während eines Gesprächs im Justizministerium mit einer damals unbekannten US-NGO, die den General der Kriegsverbrechen beschuldigt, sei ohne Zustimmung des Mossad nicht möglich gewesen. Indes habe Ex-BVT-Abteilungsleiter W. später das BMJ sehr wohl in Kenntnis gesetzt.
Auch Klaus Ainedter, Verteidiger des BVT-Aktführers L. ging mit der WKStA hart ins Gericht. Er sprach von falschen Vorwürfen. „Sie haben nicht im Entferntesten etwas mit der Wirklichkeit zu tun“, sagte Ainedter. Mit den Anschuldigungen der WKStA verhält es sich wie mit Kinder-Romanheldin Pippi Langstrumpf, die sich auch ihre eigene Welt zurecht gelegt habe. Es sei weder das Asylverfahren manipuliert noch eine Berichtspflicht verletzt worden. Am Montag wird der Prozess fortgesetzt.