Verdacht der Tierquälerei in steirischem Schweinemastbetrieb
Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) hat nach dem Aufdecken mutmaßlicher Tierquälerei in einem Hühnermastbetrieb Ende 2022 am Mittwoch belastendes Bildmaterial offenbar aus einem steirischen Schweinemastbetrieb vorgelegt. Die Aufnahmen sollen im Stall eines Styriabrid-Funktionärs aufgenommen worden sein, hieß es in der Aussendung. Sie zeigen blutverschmierte Schweine, Kannibalismus unter den Tieren sowie Abszesse und Beulen. Der Mastbetrieb soll das AMA-Gütesiegel tragen.
Styriabrid ist einer der größten steirischen Vermarkter, Berater und Serviceanbieter für Schweinebetriebe und vertritt laut eigenen Angaben mehr als die Hälfte der Schweinebauern und -bäuerinnen in der Grünen Mark. Die Fotos und Videos aus dem Mastbetrieb im Bezirk Leibnitz seien dem VGT vergangene Woche zugespielt worden und würden von Mitte Februar stammen. Die veröffentlichen Ausschnitte und Fotos seien der Grund, warum der VGT am Dienstag bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz Anzeige erstattet habe: "Die Aufnahmen dieses Leids sind erschütternd", hieß es in der Aussendung.
"Ein Schwein liegt zitternd am Boden - hinter ihm beißen blutverschmierte Artgenossen und Artgenossinnen in den herausquillenden Mastdarmvorfall des Schweins. Hautfetzen hängen an der offenen Wunde. Das Tier springt auf und versucht verzweifelt, zu entkommen - doch in der engen Bucht mit 30 anderen Schweinen gibt es keinen Rückzugsort", beschreibt der VGT die Aufnahmen. Diese Szenen spielten sich auf der "riesigen steirischen Vollspaltenboden-Mast" ab.
Der Kannibalismus im Fall des Schweins mit Mastdarmvorfall sei nicht das einzige Tierleid, das in den Fotos und Videos zu sehen sei. Ein junges Schwein leide an einem fußballgroßen Abszess am Hals, doch das Tier sei nicht separiert worden. "In einer anderen Bucht befinden sich gleich mehrere kranke und verletzte Schweine: Ein weiteres Schwein mit Mastdarmvorfall, ein stark humpelndes Tier mit Gelenksveränderungen und offenen Wunden. Auch diese Tiere müssen auf Beton-Vollspaltenboden leben. Ein Jungschwein in einem anderen Bereich des Stalls leidet an einem prall gefüllten 'Blutohr', etliche andere Schweine zeigen Ohrspitzennekrosen und -verletzungen", fasste der Verein zusammen.
"Das Tierleid in diesem Stall ist brutal. Die Haltung auf Vollspaltenboden trägt enorm dazu bei. Selbst die Tiere in der vermeintlichen 'Krankenbucht' müssen auf den Betonspalten leben. Dass diese grauslichen Szenen in einem Stall eines hohen Funktionärs der Styriabrid passieren, macht deutlich, wie verdorben das System 'Vollspaltenboden' wirklich ist", kritisierte David Richter vom VGT. Er will "die Ursache dieser Tierqual beenden: Verbot des Vollspaltenbodens", forderte er zusammen mit VGT-Obmann Martin Balluch.
Der Bezirkshauptmann von Leibnitz, Manfred Walch, bestätigte Mittwochvormittag gegenüber der APA, dass am Dienstag die Anzeige des VGT bei der zuständigen Behörde eingelangt ist. Mittwochvormittag seien bereits zwei Veterinäre zu den zwei Ställen des angezeigten Betreibers ausgerückt, um Kontrollen durchzuführen.
Zuletzt sei die betroffene Schweinezucht - wie gesetzlich vorgeschrieben - im Vorjahr kontrolliert worden, sagte Walch. Damals habe es keine Beanstandungen gegeben. Die Veterinäre überprüfen nun unter anderem, ob die Schweine, wie in der Anzeige geschildert, kein Beschäftigungsmaterial haben. Wenn das der Fall ist, würde die Behörde dem Betreiber Auflagen erteilen. Werden Verstöße festgestellt, könnten verwaltungsrechtliche Verfahren drohen. Stellen die Veterinäre Tierleid fest, so droht auch eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.
Betroffen seien zwei Betriebsstätten eines Landwirts: Bei der einen handle es sich um eine Schweinemast mit rund 1.600 Tieren, bei der anderen um eine Ferkelaufzucht mit rund 1.300 Tieren.
Protestaktion angekündigt
Der VGT kündigte nach der Aufdeckung eine Protestaktion am Donnerstag ab 9.30 Uhr vor dem steiermärkischen Landtag an. Die Geschäftsführung der Styriabrid war für die APA vorerst für keine Stellungnahme erreichbar. Dafür meldete sich Mittwochfrüh das Gesundheitsministerium in einer Mitteilung zu Wort: Man habe „umgehend die für Tierschutz zuständige Landesbehörde um weiterführende Informationen ersucht“. Tierschutz sei in Österreich nämlich verfassungsgemäß durch die Länder zu vollziehen. „Die Details sind nun zu prüfen und Erhebungen am Betrieb müssen durchgeführt werden, um die Anschuldigungen in der Anzeige zu verifizieren. Sollten sich die Anschuldigungen erhärten, so obliegt es der zuständigen Behörde, die weiteren Schritte zu setzen. Klar ist: Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sind nicht zu tolerieren.“
Das Ministerium sei bemüht, Verbesserungen im Tierschutz zu erreichen. Dazu gehöre aber auch, „dass sich alle an die hohen Tierschutzstandards in Österreich halten und dass bei Verstößen die rechtlichen Schritte gesetzt und Konsequenzen gezogen werden“. Darüber hinaus setze sich Minister Johannes Rauch (Grüne) für ein Ende der unstrukturierten Vollspaltenbuchten ab 2030, bessere Bedingungen in der Haltung von Schweinen und die Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie ein.