Chronik/Österreich

Urologe vor Gericht: Operation half bei Erektionsstörung nicht

Die Vorgeschichte ist pikant: Fünf junge Männer mit einem großen Problem. Sie wollen, aber "er" kann nicht. Erektile Dysfunktion, auch Erektionsstörung genannt, beschäftigt die Männer. Ein Arzt muss also her. Die Männer waren sicher, im Urologen Ralf Herwig den Retter in der Not gefunden zu haben. Weit gefehlt - das Gegenteil war der Fall. Zwei Betroffene begingen nach missglücktem Eingriff Suizid, zwei erlitten irreparable Schäden. Schwere Körperverletzung mit Dauerfolgen, grob fahrlässige Körperverletzung, schwerer Betrug. Das legt die Staatsanwaltschaft dem Arzt zur Last.

Am Mittwoch, bei der Fortsetzung des Prozesses, kommt der Angeklagte mit einer Tragtasche der Medizinischen Universität Wien ins Gericht. Zwei Zeugen haben schon im Gerichtssaal Platz genommen, der Richter schickt sie wieder raus und bohrt beim Angeklagten nach. Ihm geht es um zwei Punkte: Warum wird nicht ein zweites Mal operiert, wenn die "Abdichtung" eines "venösen Lecks", das der Urologe diagnostiziert haben wollte, nicht erfolgreich war. Und hat der Arzt bei den Patienten alle erforderlichen Anamnese- und Aufklärungsschritte durchgeführt und ordnungsgemäß dokumentiert. 

Richter geht hart zur Sache

Der Angeklagte räumt ein, dass eventuell ein Faden, den er um eine Vene zur Behebung des Lecks gelegt hat, "aufgegangen" sein könnte. Er habe das aber nicht überprüfen können, da der Patient sich von ihm weder untersuchen noch weiterbehandeln lassen wollte. Der Urologe beteuert außerdem, dass er "ein paar 10.000 Operationen in diesem Gebiet da unten" durchgeführt habe: Eine Verschlechterung sei in der Literatur und in seiner Erfahrung nicht vorgekommen. Wobei er auf Nachfrage des Richters einräumt: "Wenn ein Faden aufgeht, kann ein venöses Leck auch sofort wieder entstehen."

Behandlung mit Viagra reichte nicht

Ob ein "venöses Leck" überhaupt zu einer Erektionsstörung führen muss, und ob der Urologe bei der Diagnose entsprechend sorgfältig war, will der Richter noch wissen. Vor allem mit Verweis auf ein Mail des Arztes an den Opfervertreter, in dem - anders als in seiner Aussage vor Gericht - auch die Verwendung eines Kondoms als Grund für die Probleme beim Sex eines Patienten angeführt waren. Der Urologe beteuert, dass die Operation erst nach entsprechender Behandlung mit Medikamenten und der Option, die Erektionsstörungen mit Spritzen in den Griff zu bekommen, durchgeführt wurde. Und erläutert: "Bei einem Patienten hat die höchste medikamentöse Behandlung mit Viagra 100 nicht gereicht. Eine Spritzenkur kostet 7.000 Euro, und sie müssen sich jedes Mal, wenn sie Sex haben wollen, eine Injektion in den Schwellkörper geben und eine halbe Stunde warten, bevor es los geht." Das wolle kaum jemand. Die OP koste 3.500 Euro. Dass die OP ein Glücksspiel sei, wie Richter Kreuter angesichts einer 70-prozentigen Chance auf vollständige Genesung meint, lässt Herwig nicht gelten. 

Danach werden die Zeugen - junge Männer, die aus der Operation geschädigt herausgekommen sind, befragt. Für sie beantragt der Opferanwalt den Ausschluss der Öffentlichkeit, sie werden hinter verschlossenen Türen über ihre Erfahrungen vor und nach dem Eingriff befragt.