Wo Österreich beim Tierschutz Vorreiter ist und wo Gesetze fehlen
Von Hedwig Derka
Manege frei von Kamelen – die Paarhufer dürfen im Zirkus bald nicht mehr auftreten, das wurde Mitte des Jahres in der Novelle zum Tierschutzgesetz festgeschrieben. Rinder müssen neuerdings mit uneingeschränktem Zugang zu Wasser transportiert werden, die betreffende Verordnung ist seit 20. September in Kraft. Soeben wurde die Qualzuchtkommission bestellt, die ab Anfang 2025 krank machende Rassemerkmale bei Hunden und Katzen verhindern soll.
Eva Rosenberg begrüßt die Entwicklungen. Im Vorfeld des Welttierschutztages am 4. Oktober nimmt die Direktorin von Vier Pfoten Österreich im Interview die Politik aber noch mehr in die Pflicht. „Es ist ganz viel zu tun.“
Eva Rosenberg übernahm nach dem Studium der Politikwissenschaften, jahrelanger Arbeit im EU-Parlament und der Tätigkeit in einem Tierheim in Lissabon 2019 die Leitung von Vier Pfoten Österreich. Die Stiftung setzt sich seit 1988 weltweit für den Tierschutz ein. „Wer sich einmal mit dem Tierschutz befasst hat, den lässt das Thema nicht mehr los“, ist die Niederösterreicherin überzeugt.
KURIER: In Österreich ist heuer beim Tierschutz einiges weitergegangen. Wo hapert’s?
Eva Rosenberg: Im heimischen Tierschutz sind sicher einige Schritte passiert, das geht mehr als zwanzig Jahre zurück: das Verbot von Legehennen, von Pelztierfarmen oder jetzt von weiteren Wildtieren im Zirkus. Das werde ich sicher nicht kleinreden; da ist Österreich Vorreiter. Aber es gibt nach wie vor großen Handlungsbedarf – vor allem bei landwirtschaftlich genutzten Tieren.
Die römisch-katholische Kirche ernannte Franz von Assisi (1181/82 – 1226) wegen dessen asketischen Naheverhältnisses zur Natur zum Patron der Tiere.
Der Legende nach konnte sich der Mönch auch mit Vögeln verständigen.
Am Namenstag des Heiligen, dem 4. Oktober, wird heuer zum 99. Mal der Schutz von Haus-, Nutz-, Versuchs- und Wildtieren ins öffentliche Bewusstsein gerückt.
Schweine auf Vollspaltböden und Rinder sind sehr weit entfernt von einem artgemäßen Leben. Wir müssen die Haltungsbedingungen an die Bedürfnisse anpassen, nicht umgekehrt.
In der Heimtierhaltung wiederum wird Hunden und Katzen etwa durch Qualzucht sowie Exoten, die enorm hohe Ansprüche haben, oft aus Unwissenheit viel Leid zugefügt. Auch der illegale Welpenhandel ist ein Problem.
Was kann Leid verhindern?
Tierschutz ist den Österreichern wichtig. Da sind andere Länder nicht so weit. Aber die Politik muss die Tierliebe in Gesetze gießen.
Man kann nicht verlangen, dass Konsumenten bei jedem Joghurt das Kleingedruckte lesen oder wissen, was hinter den einzelnen Gütesiegeln steht. Es braucht wie bei den Eiern eine klare, einheitliche Kennzeichnung. Wenn wir Vollspaltböden für Schweine nicht wollen, müssen Fördergelder dorthin gelenkt werden; die öffentliche Hand kann unterstützen.
Wenn der heimische Tourismus mit glücklichen Tieren auf grünen Almen wirbt und der Handel mit dem Feinkostladen Österreich, braucht das einen finanziellen Rahmen.
Welchen Einfluss hat die EU?
Der Einfluss der EU auf Österreich ist sehr groß. Haltung, Schlachtung, Kennzeichnung, Transit... All das ist auf EU-Ebene zu regeln. In der Schweinehaltung etwa fordern wir, dass die EU-Standards höher werden. Mit der EU-Wahl gab es einen gewissen Stillstand, ich hoffe, die neue EU-Kommission bringt jetzt etwas weiter.
Wo ist jeder Einzelne gefragt?
Im Umgang mit Heimtieren gibt es viel Leid und Konflikte. Die wenigsten Halter wissen, welche Qualen z.B. Möpse durch die kurze Nase jeden Tag ertragen müssen. Hundeschulungsplätze, auf denen mit Unterdrückung gearbeitet wird, und Welpenkäufe per Mausklick sind ein riesiges Problem.
Aber auch Urlaubern ist oft nicht bewusst, welch grausame Umstände hinter dem Elefantenreiten und dem Tigerbabystreicheln stehen. Man kann da nie genug aufklären.
Darüber hinaus gibt es Bereiche, wo wir es nicht wissen wollen. Das gilt vor allem in der Landwirtschaft. Da müssen wir die Stalltür öffnen, nicht wegsehen. Jede Person kann mehrfach am Tag Entscheidungen für mehr Tierwohl treffen, die großen Weichen stellt aber die Politik.
Welche Rolle spielen Organisationen wie Vier Pfoten?
Wenn Vier Pfoten wie 2023 in einer Bürgerinitiative für ein pelzfreies Europa 1,5 Millionen Unterschriften sammelt, hat das Gewicht.
2005 war es einer unser ersten Erfolge, dass Pelztierfarmen in Österreich verboten wurden. Jetzt müssen Länder wie Finnland, Polen u.a. endlich nachziehen. Auch der Import und Verkauf von Pelz müssen gestoppt werden.
Vom angeketteten Braunbär bis zur verstümmelten Kaschmir-Ziege, von der verletzten Eule bis zur Gans mit Stopfleber, vom illegalen Welpenhandel bis zur Streunerhilfe, von Missständen im Schweinestall bis zum brutalen Kälbertransport:
Seit 1988 setzt sich Vier Pfoten global dafür ein, Leid „zu erkennen, Tiere zu retten und zu beschützen“.
Die von Heli Dungler in Wien gegründete Stiftung – heute mit Büros in 14 Ländern weltweit – ist auf Spenden angewiesen. www.vier-pfoten.at
Die Schwierigkeit im Tierschutz ist, dass kleine Schritte des Erfolgs einem großen System gegenüberstehen, das ständig Leid verursacht.
Wie wichtig sind Kampagnen?
Kampagnen sind unser Sprachrohr gegenüber den Verantwortlichen. Wir wollen ganz klar Problembewusstsein schaffen – und Lösungen aufzeigen.
Alle Themen im Tierschutz sind langjährige Engagements, da ändert sich nichts von heute auf morgen. Aber Tierschutz ist kein Randthema mehr, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen.