Chronik/Österreich

Stormchaser: Die Jagd nach dem Sturm

Berstende Scheiben, Dachziegeln die mit mehr als 120 km/h gegen Hausmauern fliegen und entwurzelte Bäume. Das und mehr können die Folgen eines Tornados sein. Auch hierzulande. Trotzdem gibt es Menschen, die sich dieser Gefahr gezielt aussetzen. Dabei handelt es sich aber nicht um skrupellose Abenteurer sondern um Wetterbegeisterte, die das Phänomen dokumentieren möchten, um so einen wissenschaftlichen Beitrag zu leisten.

Tornado-Experte Rainer Kaltenberger vom nationalen Wetterdienst ZAMG weiß, wie schwierig das ist. Im Schnitt gebe es in Österreich vier Tornados pro Jahr. Dementsprechend beschränkt sei die Datenlage zu dem Starkwindphänomen. „Unsere österreichweit rund 270 Wetterstationen sind im Mittel 20 Kilometer voneinander entfernt. Die meisten Tornados hinterlassen aber nur eine Schadensspur von ungefähr einem Kilometer und dauern weniger als eine Minute.“ Den automatisierten Messstationen sei es zudem technisch nicht möglich, einen Tornado nachzuweisen oder gar in Echtzeit zu verfolgen.

Riskantes Hobby

Um einen Tornado zu erkennen, gibt es zwei Möglichkeiten: Augenzeugen und eine Schadensbegutachtung im Nachhinein. Windschäden werden auf der Fujita-Skala bewertet. Die beginnt bei F0 und beschreibt damit Windgeschwindigkeiten bis zu 116 km/h, wo kleine Schäden an Rauchfängen oder Ästen möglich sind. Es geht bis F5: „Das ist wie ein Radiergummi, der ganze Landstriche auslöscht“, berichtet Kaltenberger. Diese Schadensbegutachtung übernehmen die ZAMG-Experten selbst, was in Wäldern nicht ungefährlich ist, da nach Tornados oft Bäume angebrochen oder entwurzelt sind.

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Bei den Augenzeugenberichten verlassen sich die Meteorologen auf die Zivilbevölkerung. Der nationale Wetterdienst unterscheidet zwischen „Stormchasern“ und „Stormspottern“. „Chaser“ seien Leute, die aktiv Sturmereignisse suchen. „Das sind Wetterenthusiasten, die sich mit der Wetterlage beschäftigen. Die wissen, wann es zu viel wird, kennen die Gefahr“, charakterisiert Kaltenberger die „Sturmjäger“. Diese Gefahr ist beträchtlich. Das größte Risiko geht laut dem Wissenschaftler von Trümmern aus, die durch die Luft gewirbelt werden: „Ein Flachdach kann mehrere hundert Meter durch die Luft segeln.“ Gleichzeitig möchte Kaltenberger niemandem Angst machen. Tornados seien in Österreich sehr selten, die Verletzungsgefahr durch Hagel viel höher. Sollte es doch zum Ernstfall kommen empfiehlt er, fensterlose Räume im Inneren oder den Keller aufzusuchen.

Wert für die Wissenschaft

All das und noch mehr lernen die „Trusted Spotter“, die sich beim ZAMG ausbilden lassen. „Das ist ein Programm, das wir Wetterbegeisterten anbieten. Leute bekommen eine Grundeinschulung über Gewitter und andere Phänomene. Wenn sie etwas melden, wissen wir, dass es verlässlich ist.“ Kaltenberger hält im Rahmen des Programms selbst Vorträge zu Tornados, in denen Zuhörer den Unterschied zu den wesentlich häufigeren Trichterwolken lernen. So muss Bodenkontakt und eine durchgängig ausgebildete Rotation sogenannter Superzellen vorhanden sein, um von einem Tornado zu sprechen. Dabei handelt es sich um Gewitterzellen, die in unterschiedlichen Höhen, durch unterschiedliche Luftströmungen in Bewegung versetzt werden. Derartiges Hintergrundwissen sei aber nicht notwendig, um etwas beizutragen. Ganz allgemein möchte Kaltenberger alle ermutigen, die ein außergewöhnliches Wetterschauspiel beobachten, dieses zu melden.

„Wir wollen nicht, dass sich Leute in Gefahr begeben, aber wir versuchen sie zu sensibilisieren, dass wir Sturmschäden, Hagelkörner, Trichterwolken, oder ganz seltene Phänomene wie Tornados oder Kugelblitze nicht messen können.“ Die Wetterforscher sind also auf die Meldungen der Bevölkerung angewiesen. Insgesamt funktioniere das dank Smartphones mittlerweile recht gut: Laut Kaltenberger sei die App EWOB (European Weather Observer) ein wertvolles Hilfsmittel. Wetterereignisse werden fotografiert, die App übernimmt die Lokalisierung und Sekunden später haben die Meteorologen das am Bild am Schirm und das Ereignis in der Datenbank.

Dem Tornado-Experten zufolge entsteht derzeit eine eigene Community: „Außergewöhnliche Wetterereignisse hinterlassen Eindruck, zudem verstehen die Menschen, dass sie nicht nur die Wissenschaft unterstützen, sondern auch etwas zur Sicherheit beitragen, weil wir dann schneller und genauer warnen können. Davon haben alle etwas.“