Soko Kfz: "70 bis 80 Prozent der gestohlenen Autos werden zerlegt"
Die Fensterscheiben sind verdunkelt. An jedem Schreibtisch stehen mehrere Computer, in die die Beamten der Sonderkommission SOKO Kfz gebannt blicken.
Die Kriminalbeamten sammeln Daten, analysieren und recherchieren oft wochenlang, bis sie den Tätern auf den Fersen sind – dann schlagen sie zu: 1.805 gestohlene Fahrzeuge im Wert von 42 Millionen Euro konnte die SOKO Kfz 639 Tätern in den vergangenen zehn Jahren zuordnen.
Andreas Kummer, operativer Leiter der SOKO Kfz, ist sichtlich zufrieden, wenn er zum zehnjährigen Bestehen vom Gedeihen „seiner“ SOKO erzählt. „Die Zahl der Autodiebstähle ist seit 2009 deutlich im Sinken.“
Während zu den Anfangszeiten der SOKO Kfz die gestohlenen Fahrzeuge im Ganzen verkauft wurden, bleiben heute nur wenige komplett.
„Etwa 70 bis 80 Prozent aller gestohlenen Autos werden zerlegt. Es geht um die Ersatzteile.“
Vor allem im Osten, allen voran in Polen, würden die Autos regelrecht „ausgeschlachtet“. „Da bleibt von einem 120.000 Euro teuren Mercedes nur mehr das Grundgerüst.“ Vom Motor bis zum Feuerlöscher wird alles verscherbelt.
Doch warum dieser Aufwand? Durch das Zerlegen der Ersatzteile könne erstens mehr Geld lukriert werden. „Auf Internetplattformen lassen sich die Ersatzteile auch einfach verkaufen.“ Außerdem ließe sich bei den gestohlenen Ersatzteilen deren Herkunft schwer nachvollziehen.
Der Chefinspektor erinnert sich an einen besonderen Fall: Vier Jahre waren er und sein Team einem Kfz-Händler auf der Spur. Die in Österreich entwendeten Fahrzeuge waren in Ungarn zerlegt worden.
"Familie Polizei"
Die Ersatzteile gingen nach Österreich retour und wurden von einem Lager in der Steiermark aus u. a. über Internetplattformen verkauft. „Durch die sichergestellten Fahrzeugteile konnten wir nachweisen, dass diese von mehr als 500 gestohlenen Autos aus Österreich stammten.“ 120 Polizisten waren an den Hausdurchsuchungen beteiligt. „Bei dem Fall habe ich gesehen, was die ‚Familie Polizei‘ bewirken kann.“
Neue Technik als Problem
Augenmerk wird nicht nur auf die Festnahme der Diebe, sondern auch auf die Zerschlagung ganzer Täterstrukturen gelegt. Die Autodiebe sind meist bandenmäßig und arbeitsteilig organisiert und grenzüberschreitend tätig.
Geändert habe sich in den vergangenen Jahren vor allem Software und Technik. Der technische Fortschritt habe den Dieben das Handwerk erleichtert.
Die sogenannten Keyless-Systeme, bei denen kein Schlüssel benötigt wird, öffnen den Kriminellen Tür und Tor. Mit einem OBD-Tool (Onboard-Diagnostic), das im Internet ganz einfach gekauft werden kann, könne man den Fahrzeugschlüssel nachbauen. Binnen weniger Sekunden läuft der Wagen. „Vor zehn Jahren war diese Software noch sehr teuer und schwierig zu bekommen. Heute ist das alles einfacher.“
Welche Automarken begehrt sind
Was sich nicht geändert habe, sind die begehrten Modelle der Marken VW, Honda, BMW, Audi, Skoda und Mercedes. Es müssen aber nicht unbedingt immer die neuesten Modelle sein. Auch da kommt es auf die Ersatzteil-Nachfrage an.
Gar nicht so selten passiere es auch, dass Fahrzeuge im Land gestohlen und über Umwegen an den Ursprungsort zurückverkauft werden. Dann müssten die Ermittler Autos, die die Käufer gutgläubig erworben hatten, beschlagnahmen. „Wenn ein Fahrzeug weit unter dem Marktwert verkauft wird, ist anzunehmen, dass etwas nicht stimmt. Denn herschenken tut keiner etwas.“
Analyse-Tool: Das Werkzeug der Beamten
Organisation: Die am 1. Oktober 2009 gegründete SOKO Kfz des Bundeskriminalamtes ist beim Landeskriminalamt in Eisenstadt angesiedelt und verfügt derzeit über neun Experten.
Neben dem Ausforschen von Autodieben zählt u. a. das Schulen von in- und ausländischen Kollegen auf diesem Fachgebiet zu deren Tätigkeiten. Die Experten führen zudem ein Analyse-Tool, in dem jeder in Österreich verübte Kfz-Diebstahl mit allen kriminalistisch notwendigen Daten aufgelistet wird.
Dieses Werkzeug macht es möglich, österreichweite Trends von Kfz-Diebstählen zu erkennen und sofort notwendige Maßnahmen einzuleiten.