Schwieriger Umgang mit Grab von KZ-Arzt im Salzburger Pinzgau
Die Grabstelle des SS-Arztes und Kriegsverbrechers Franz Bodmann in der kleinen Pinzgauer Gemeinde Lend hat nun das Internationale Auschwitz Komitee (IAK) auf den Plan gerufen. Nach Berichten in den "Salzburger Nachrichten" und im "Standard" fordert die von überlebenden KZ-Häftlingen gegründete Organisation das österreichische Innenministerium zum Handeln auf. Sie wünscht sich am Soldatenfriedhof in Lend dringend eine Information über die Gräueltaten des Verstorbenen.
"Mit der bis heute unkommentierten Grablegung werden die Verbrechen Bodmanns verschwiegen", betonte IAK-Vizepräsident Christoph Heubner. "Ein SS-Täter wird zukünftigen Generationen als ehrbares Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft präsentiert." Und es stört ihn, dass das Bodmann-Grab als eines von nur wenigen geschmückt ist. "Das österreichische Innenministerium sollte jetzt umgehend dafür Sorge tragen, dass am Grab über dessen Untaten informiert wird und ähnliche Fälle in Österreich einer dringenden Klärung zugeführt werden", sagte er zur APA.
Bis Anfang 2019 unbekannt
In Lend selbst wusste bis ins Frühjahr 2019 wohl kaum jemand, dass mit Bodmann ein Kriegsverbrecher am Soldatenfriedhof hinter der Kirche liegt. Damals meldet sich ein Mitarbeiter der deutschen Partei "Die Linke" bei der Gemeinde. Diese hatte im Bundesrat in Berlin einen Antrag gestellt, die öffentlich finanzierte Grabpflege für KZ-Kommandanten und andere NS-Verbrecher zu beenden. Bei der Recherche stieß man auch auf die Grabstelle Bodmanns im Pinzgau.
Der 1909 geborene deutsche Mediziner war 1932 der NSDAP und 1934 der SS beigetreten und stieg bis zum SS-Obersturmführer auf. Von Februar bis August 1942 war er zunächst Lagerarzt und später Standortarzt im KZ Auschwitz. Dort soll er sich "beim Töten von Häftlingen mit mörderischem Eifer und kalter Grausamkeit hervorgetan haben", schreibt das IAK. Bodmann gilt als "Erfinder" der Phenolinjektion, mit der Häftlinge durch eine Spritze direkt in den Herzmuskel oder in die Venen ermordet wurden. Auch in anderen Konzentrations- und Vernichtungslagern war er berüchtigt. Im KZ Neuengamme dürfte er aktiv an der Vergasung sowjetischer Kriegsgefangener mit Zyklon B mitgewirkt haben.
Truppenarzt
Nach der Kapitulation geriet er mit der 5. SS-Panzerdivision, in der er zuletzt als Truppenarzt diente, im Salzburger Pongau in US-Kriegsgefangenschaft. Am 25. Mai 1945, nur wenige Wochen nach Kriegsende, beging er in einem Lazarett in St. Johann Suizid und wurde dort begraben. 1950 errichtete der damalige Lender Ortspfarrer Josef Engelbert Tomaschek im Ort einen "Ehrenfriedhof" und bettete auch 20 "Polizeiangehörige" aus St. Johann um. Darunter auch Bodmann. Im Grab liegt auch ein Oberwachtmeister Andreas Staudacher, über den jedoch keine Informationen bekannt sind.
Dass von den rund 30 Kriegsgräbern am Soldatenfriedhof das Grab von Bodmann geschmückt war, sorgte auch bei der Bürgermeisterin von Lend für Unbehagen. Um zu erfahren, wie mit dem Grab zu verfahren sei, schaltete Michaela Höfelsauer (SPÖ) nicht nur Historiker, sondern auch das Innenministerium in Wien ein. Das BMI ist aufgrund zweier Bundesgesetze über die Fürsorge für Kriegsgräber aus 1948 für die "würdige, geziemende, sowie dauernde Erhaltung und Pflege" von allen rund 800 Kriegsgräberanlagen verantwortlich. Und die können in Österreich im Einzelfall auch mehrere Tausende Opfer umfassen.
Zustimmung vom BMI notwendig
"Mir ist mitgeteilt worden, dass die Gemeinde nichts verändern darf. Ich habe zuerst nicht verstehen können, dass es so schwierig ist, etwas zu unternehmen", sagte Höfelsauer. Faktum sei aber, dass es für das Anbringen von Infotafeln oder bauliche Veränderungen die Zustimmung des Innenministeriums brauche. Auf APA-Anfrage bei BMI hieß es dazu, dass das Recht auf Totenruhe jeder Toten und jedem Toten gebührt - ungeachtet deren Angehörigkeit zu einer bestimmten Nation oder deren Individualhandlungen in den Tagen des Krieges. "In einen Diskussionsprozess über eine mögliche kontextualisierte Zusatztafel wird sich die Kriegsgräberfürsorge selbstverständlich einbringen."
Bürgermeisterin Höfelsauer wünscht sich stärker noch als eine rasche Lösung eine gute Lösung - auch wenn sie einräumt, dass das Thema die Menschen in der Gemeinde nicht wirklich interessiere. "Ich habe leider den Satz, 'lasst ihn doch ruhen', häufiger gehört als jeden anderen. Aber wir wollen das nicht unter den Tisch kehren. Im Notfall könnte man ja auch das Gesetz ändern." Eine Umbettung des Toten komme für sie nicht infrage, zumal man dann klären müsste, wer von den beiden Verstorbenen wer ist.
Kontext-Tafel
Eine Kontext-Tafel beim Grab, die Bodmanns Verbrechen erklärt und einordnet, sieht sie aus zwei Gründen ein wenig zwiespältig. "Das Grab soll nicht zu einer Pilgerstätte für Rechte werden", sagt die Ortschefin. Und mit einer Zusatztafel würde man Bodmann auch auf eine Stufe mit zwei Opfern des Nationalsozialismus aus der Gemeinde stellen, denen man im Jahr 2018 Gedenktafeln gewidmet habe.
Anfang Juni sei ein Treffen mit Historikern anberaumt. "Wenn dann herauskommt, dass eine Zusatztafel zielführend ist, wehre ich mich sicher nicht dagegen." Historiker aus Salzburg hatten zuletzt auch eine Reihe anderer Vorschläge präsentiert. So könnte man "belastete" Grabsteine etwa umlegen und auf der Rückseite mit Infos versehen. Oder das Grab mit Plexiglasscheiben umhüllen, auf denen Bodmanns Beteiligung an NS-Gräueln erläutert wird.
Grab wurde geschmückt
Zumindest die Frage, wer zuletzt das Grab Bodmanns schmückte, dürfte gelöst sein. Die Pflege der Kriegsgräber in Lend übernimmt das Schwarze Kreuz Salzburg, das einmal im Jahr zu Allerheiligen ein Kranz für den gesamten Soldatenfriedhof als Schmuck liefern lässt. "Darüber hinaus gibt es manchmal über den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge Grabschmuckaufträge von Angehörigen etc., die über uns bei einer Gärtnerei beauftragt werden", teilte Landesgeschäftsführer Josef Hohenwarter auf APA-Anfrage mit.
Beim Bodmann-Grab sei dies bis jetzt einmal der Fall gewesen. "Sein Lebenslauf war uns vor dem ersten Grabschmuckauftrag nicht bekannt. Wir haben dann beim zweiten Auftrag den Volksbund über ihn informiert." Der Volksbund habe daraufhin ein Ausschlusskriterium für weitere Grabschmuckaufträge eingetragen.