Chronik/Österreich

Russland-Wahl: Lange Warteschlangen und Proteste vor den Wahllokalen

Mehrheitlich junge Russinnen und Russen haben sich am Sonntag teils stundenlang in Wien angestellt, um sich an den Präsidentschaftswahlen in der russischen Botschaft zu beteiligen. Der größte Ansturm war kurz vor 12 Uhr zu beobachten, und viele Wähler sahen ihren Urnengang im Zusammenhang mit der Protestaktion „Zu Mittag gegen Putin“. Etwas abseits wurde laut demonstriert. Sporadische Konflikte zwischen Anhängern und Gegnern Wladimir Putins wurden von der Polizei gestoppt.

„So viele Menschen hat es bei russischen Wahlen hier nie gegeben - nicht einmal im Ansatz“, sagte ein seit mehr als zehn Jahren in Wien lebender Russe gegenüber der APA. Normalerweise sei die Schlange 50 Meter lang gewesen, nun reiche sie um einen ganzen Häuserblock herum. Nach APA-Beobachtungen standen Russinnen und Russen zur Spitzenzeit knapp 350 Meter lang an, die Schlange selbst bewegt sich etwa 50 Meter pro Stunde weiter. Laut dem Einsatzleiter der Wiener Polizei warten zur Spitzenzeit etwa 1.200 bis 1.300 Personen auf Einlass.

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Im Eingangsbereich zum Botschaftsareal gab es Sicherheitschecks: Ein bulliger Wachmann mit einem großen „Z“ am Sakko, dem Symbol des russischen Angriffskriegs, schob Handgepäck durch einen Röntgenapparat, die Wähler mussten vor ihrem Urnengang ihre Mobiltelefone abgeben. Oppositionsaktivisten interpretierten letzteres als Versuch, das Fotografieren des eigenen Wahlzettels zu verhindern.

Proteste vor Botschaft

„Das ist eigentlich eine Demonstration, denn ohne den Aufruf zur Aktion 'Zu Mittag gegen Putin' gäbe es hier keine derartige Schlange“, erklärte der prominente russische Politologe Kirill Rogow im Gespräch mit der APA vor der Botschaft. Viele dieser Menschen seien gekommen, um mit ihrer bloßen Präsenz zu zeigen, dass sie gegen den russischen Präsidenten eingestellt seien. Die Wahlen selbst seien dabei gar nicht mehr so wichtig, erläuterte der seit 2022 am Institut für die Wissenschaft vom Menschen (IWM) in Wien tätige Experte. Zahlreiche Gesprächspartner der APA in der Warteschlange bestätigten diesen Eindruck.

Parallel zum Urnengang hielt die Initiative „Russians against war“ mit deutlichem Sicherheitsabstand zum Botschaftsgebäude eine Demonstration ab, bei der laut Behördenangaben etwa 70 Personen lautstark gegen Putin protestierten. Neben politischen Slogans wurden auch bekannte Protestsongs gesungen. So intonierte etwa Aktivistin Margarita, eine Journalistin aus der Region von Swerdlowsk, die nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 Zuflucht in Österreich gefunden hatte, inbrünstig „Das geht vorbei“ der russischen Punkgruppe Pornofilmy. Der Song selbst ist in Russland als „extremistisches Material“ verboten.

Langes Warten in Salzburg

Auch in Salzburg kam es zu langen Warteschlangen vor dem russischen Konsulat., bis zu drei Stunden lang warteten die Wahlberechtigten auf ihre Stimmabgabe. Laut ORF waren auch viele Wahlberechtigte aus Deutschland nach Salzburg gekommen. Nur dort und in Wien können für die Russland-Wahl Stimmen abgegeben werden. 

Gegenüber dem Gebäude protestierte eine kleine Gruppe gegen das russische Regime. Andere drückten ihren Protest mit einer ungültigen Wahl oder einem weißen Stimmzettel aus. 

Am Rande der Wahl kam es am frühen Sonntagnachmittag in Wien zu kleineren Konfrontationen. Eine ältere Frau, die gegen Putin am Zaun der Botschaft protestierte, zog sich bei einem kleinen Gerangel eine leichte Kopfverletzung zu, ein Putin-Kritiker schrie eine Putin-Anhängerin an. In beiden Fällen konnten anwesende Polizistinnen und Polizisten die Situation beruhigen. Uniformierte Polizisten und nicht uniformierte Verfassungsschützer waren auch die einzigen Österreicher, die in die russische Botschaft vorgelassen wurden: Sie durften hier die Toilette benutzen.

Gedenkstätte zerstört

Rechtzeitig vor dem großen Wähleransturm zu Mittag hatten Anhänger Alexej Nawalnys gegenüber der Botschaft erneut eine improvisierte Gedenkstätte für den verstorbenen Oppositionsführer errichtet. Die seit 16. Februar existierende Gedenkstätte war am Samstagabend von Unbekannten entfernt und damit zerstört worden. „Zu diesem Vorfall liegt noch kein Bericht vor. Jedenfalls ist das Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung informiert“, erklärte ein Sprecher der Wiener Polizei am Sonntag. Es würde in weiterer Folge geprüft werden, ob eine strafrechtliche Relevanz vorliege, erläuterte er.