Chronik/Österreich

Rückkehr spaltet Bevölkerung: Guter Wolf, böser Wolf?

Der Druck der Bauernschaft steigt. In Salzburg wurde erst diese Woche wieder vehement gefordert, dass der Wolf zum Abschuss freigegeben wird. In Niederösterreich initiierte die Landwirtschaftskammer mit Unterstützung vom Bauernbund unter dem Titel „Sicherheit für unsere Bevölkerung“ sogar eine Unterschriftenaktion. Beim Almwandertag im August des Vorjahres war damit gestartet worden. Mittlerweile wurden bereits 57.689 Unterschriften gesammelt.

Alexander Bernhuber, Kandidat des Bauernbundes NÖ für das EU-Parlament, hat diese Petition zu seiner Wahlkampfmunition gemacht. „Das Maß ist voll. Fast 60.000 Landesbürger, die in Angst leben, sind genug. Sie müssen von der Politik endlich ernst genommen werden“, sagt Bernhuber. Und: „Ich fordere daher den sofortigen Abschuss von umherstreifenden Problemwölfen und eine gezielte Dezimierung der Population.“

Alle Inhalte anzeigen

Die Unterschriftenliste will man EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber übergeben, von dem man sich erhofft, dass er als möglicher künftiger EU-Kommissionspräsident diese Themen wieder in die Verantwortung der Regionen legt. In der Zwischenzeit werden weiter Unterschriften gesammelt.

Klare Mehrheit gegen Wolf

In NÖ wurden zwar bereits Möglichkeiten geschaffen, dass Wölfe trotz des EU-Artenschutzes in bestimmten Fällen von Jägern erlegt werden können, doch das reicht dem Bauernbund nicht. Man will, dass das „praxisfremde EU-Reglement der sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ fällt, wodurch der Wolf geschützt ist.

Der Wolf sorgt derzeit nicht nur in Österreich für heftige Reaktionen. So beschloss diese Woche der Schweizer Nationalrat, dass Wölfe künftig im Zeitraum zwischen 1. September und 31. Jänner vorbeugend „entnommen werden dürfen“. Die Behörden sollen Tiere zum Abschuss freigeben dürfen, wenn Schaden droht. Nicht erst – wie der Bundesrat vorgeschlagen hatte –, wenn von Wölfen Schaden angerichtet worden ist.

In Deutschland haben einige Umweltminister der Bundesländer gefordert, dass vom Kanzleramt endlich eine eindeutige Linie vorgegeben wird, wie mit dem Wolf umgegangen werden kann. Und in Südtirol wurden in der Nacht auf Samstag Mahnfeuer gegen den Wolf entzündet.

Alle Inhalte anzeigen

Räuberisch oder harmlos?

Die Rückkehr des Raubtiers spaltet die Bevölkerung: Die einen empfinden seine Anwesenheit als bereichernd, andere sehen den Wolf ausschließlich als Bedrohung.

Alle Inhalte anzeigen

Pro & Contra: Guter Wolf

Kurt Kotrschal ist Wolfsforscher und fordert Schutz: „Allein die Gesetzeslage verpflichtet uns, in beidseitig erträglichem Maß mit Wölfen zusammenzuleben. Wölfe verursachen ja nicht nur Schäden, sondern bereichern die Artenvielfalt, auch indem sie Füchse und Golfschakale unter Kontrolle halten. Zudem können wir in einer Zeit  extremen Artensterbens nicht einfach weitermachen wie bisher. Menschliches Wirtschaften hat uns an den ökologischen Abgrund geführt, wir können nicht mehr alles vernichten, was die Produktion stört.

Der Wolf trägt als Teil der heimischen Fauna auch zur Verbesserung der Gesundheit des Wildes bei. Denn er erkennt viel besser als jeder Jäger kranke und schwache Tiere. Dabei rotten Wölfe das Wild nicht aus, im Gegenteil: Wilddichten bestimmen Wolfsdichten. Wolfsfreie Gebiete durch Bejagung zu schaffen, ist nicht nur in der Praxis kaum umzusetzen, sondern könnte Probleme sogar vergrößern.

Eine Untersuchung in den USA hat gezeigt, dass die Schäden bei Nutztieren sogar zunehmen, wenn Wölfe bejagt werden. Außerdem zeigte sich, dass auch die Zahl illegaler Abschüsse zunimmt, wenn man legale erlaubt. Heute ist ganz Mitteleuropa Wolfsgebiet. Teile davon, etwa die Alpen,  ganz wolfsfrei zu halten, ist weder gesetzlich möglich  noch praktisch machbar.

Wenn Landwirte auf Herdenschutz verzichten, sind Risse vorprogrammiert. Dass beim Herdenschutz viel zu wenig passiert, ist  offensichtlich. Das wäre aber der Schlüssel zu einem konfliktarmen Zusammenleben.

Die Vergrämung durch Gummigeschoße funktioniert kaum, denn ein Jäger müsste genau dann auf einer Weide anwesend sein, wenn der Wolf kommt. Einzelne Wölfe zu jagen, die sich auf Nutztiere spezialisiert haben, stößt auf dieselben Probleme.  Sie in freier Wildbahn zu identifizieren, ist kaum möglich. Rund 70 Prozent der Österreicher sind zudem dafür, dass Wölfe hier leben können und sollen. Wolfsfreunde und jene, die den Wolf als Bedrohung sehen, müssen letztlich zusammenarbeiten. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass Wölfe in Österreich leben. Auch als Ausdruck des Respekts und der Achtung vor den Mitgeschöpfen.“

Alle Inhalte anzeigen

Pro & Contra: Böser Wolf

Johannes Schmuckenschlager, Präsident der NÖ Landwirtschaftskammer,  will wolfsfreie Gebiete: „Unsere Weidewirtschaft hat sich über mehr als hundert Jahre ohne den Wolf entwickelt. Das jetzt zu ändern, wäre ein Rückschritt, der mit moderner Weidehaltung nichts zu tun  hat. Wir fordern, dass man Weidegebiete auch durch Abschüsse von Wölfen freihält, weil der  Herdenschutz einfach viel zu aufwendig ist  und eine Aufgabe darstellt, die nicht zu bewältigen ist. Speziell gilt das  im alpinen Raum. Die dafür notwendigen Zäune wären gar nicht finanzierbar und hätten außerdem Einfluss auf  die Tourismuswirtschaft. Man kann die Schäden durch Schutzmaßnahmen nicht in den Griff bekommen.

Auch eine Behirtung entspricht nicht mehr der modernen Almwirtschaft und wäre außerdem wirtschaftlich nicht tragbar.

Es geht aber auch um Emotionen. Die Bauernfamilien haben eine Verbindung zu ihren Tieren und sind tief betroffen, wenn welche getötet oder  verletzt werden.

Es gibt zwar eine wirtschaftliche Entschädigung für gerissene Tiere, aber oft sind weit mehr Tiere betroffen, weil ganze Herden in ihrer Panik abstürzen könnten. Der Aufwand für die Besitzer, diese Tiere zu suchen, zu bergen oder zum Tierarzt zu bringen, ist unzumutbar. Natürlich verenden auf Almen auch Tiere ohne Wolfsangriff, aber das ist nicht vergleichbar.

Deshalb gilt es, nicht Symptome, sondern die Ursache, den Wolf, einzudämmen. Das  sehen wir übrigens bei Fischotter und Biber, die auch Schäden verursachen, genauso.

Denn es gibt zu diesem Thema auch eine gesellschaftlich-ethische Frage: Welches Tier ist schützenswert? Das Raubtier oder das Nutztier? Für uns ist die Antwort eindeutig: das Nutztier. Wir halten Tiere, damit sie ein Teil unserer Nahrungsgrundlage bilden, indem sie Milch, Eier und Fleisch liefern. Wir sehen, dass es in Mitteleuropa keine geeigneten Biotope für ein friedliches Nebeneinander gibt. Daher fordern wir die Reduktion der Wolfspopulation. Und bei der ganzen Thematik ist die Nutztierhaltung das Erste, was im Fokus steht. Über die Sicherheit der Menschen & Bauern diskutieren wir viel zu wenig. Denn dort wo Nutztiere gehalten werden, sind auch Lebensräume von Menschen.“