Chronik/Österreich

Rettet den Krampus: "Der tut nix"

Zornige Fratzen, zotteliges Fell, lange Krallen: Hübsch sind sie nicht, die Krampusse, die heute, Freitag, durchs Land ziehen. Ihr Äußeres soll Angst machen – so will es der Brauch.

Der scheint aber mehr und mehr um seine Existenz kämpfen zu müssen. In den meisten Wiener Kindergärten hat der Krampus sogar seit 2006 Hausverbot. "Der Krampus ist angstbesetzt, so etwas hat in der Pädagogik nichts zu suchen. Wenn wir den einladen, würden die Eltern auf die Barrikaden gehen", sagt etwa Michaela Zlamal, Sprecherin des zuständigen Jugendstadtrats.

Ob Nikolo und Kramperl eingeladen werden, liege im eigenen Ermessen der Einrichtungen, heißt es vom Familienministerium. Nachgefragt beim Referat für Kinderbetreuung des Landes Salzburg, erklärt Sprecherin Manuela Pleninger: "Der Krampus wird immer häufiger ausgeladen. Viele Kindergärtnerinnen finden ihn pädagogisch nicht sinnvoll."

Auch das Image des Nikolaus ist angekratzt. Die Katholische Jungschar schlug vor, er (oder sie) solle keinen Bart mehr tragen. Einerseits, um der Figur ein modernes Aussehen zu geben; andererseits, damit die Kinder sich nicht fürchten müssen.

Krampus-Seminar

"Brauchtum soll schön sein und keine Angst machen", sagt Markus Friesacher, Präsident der Anifer Krampusse in Salzburg. Er führt ein strenges Regiment: Es darf weder geschlagen noch gejagt werden, Alkohol ist tabu. "Das Krampus-Kostüm darf nicht dazu missbraucht werden, Aggressionen inkognito auszuleben. Leider gibt es viele schwarze Schafe. Die bringen das ganze Brauchtum in Verruf", sagt er.

Seit 2012 veranstaltet er ein "Krampus-Angstbewältigungs-Seminar" mit Verhaltenstherapeutin Andrea Hammerer. Sie weiß: "Viele fürchten sich so sehr, dass sie in der Krampuszeit gar nicht mehr das Haus verlassen. Das ist ein ungesundes Verhalten, das man nur mit Konfrontation löschen kann."

Zu so einer Konfrontation ist es am Mittwochabend im "Hotel Friesacher" in Anif gekommen. Im Seminarraum haben sich etwa 40 Frauen eingefunden. "Wenn ich die Glocken höre, laufe ich schon davon", erzählt die 37-jährige Joz aus Singapur. Sie lebt seit vier Jahren in Salzburg. "Bei meinem ersten Krampuslauf habe ich einen Fehler gemacht. Ich habe gedacht, die laufen eh nur vorbei und habe wie wild fotografiert. Auf einmal sind die auf mich zugestürmt. Ich war ganz allein", schildert sie aufgeregt.

Joanna, 24, ist als Kind von einem Krampus geschlagen worden. "Am schlimmsten sind aber die Masken", sagt sie. Die gleichaltrige Barbara hat es auch nicht leicht: Ihre Geschwister sind im Krampus-Verein. "Wenn sie sich ihre Kostüme anziehen, sperre ich mich in meinem Zimmer ein."

Angstlevel: elf

Therapeutin Hammerer fragt die Anwesenden nach ihrem Angstlevel auf einer Skala von eins bis zehn. Vier, schätzen sich die meisten anfangs ein. Als die Tür aufgeht und eine Horde Krampusse mit Kuhglockengeläut hereinstapft: acht. Sekunden später: elf.

Dumpfes Wimmern, zitternde Frauenkörper, ab und an ein spitzer Schrei und Sturzbäche an Tränen im Publikum. Jene, denen es am schlechtesten geht, werden von der Therapeutin nach vorne gebeten. "Schau, die tun dir nix. Greif einmal das Fell an", sagt sie beruhigend. Einige wagen sich gleich heran, andere hören erst auf zu schluchzen, als die Gestalten ihre Masken abnehmen. "Das sind ja eh ganz fesche Burschen", stellt eine junge Frau fest.

"Hinter jeder noch so argen Maske steckt halt auch nur ein Mensch", sagt Hammerer und ist stolz auf ihre Schützlinge. Einer traut sich sogar, eine Maske aufzusetzen, andere kuscheln sich derweil ins Zottelfell. Am Ende des Seminars hat wohl jede zweite Teilnehmerin ein Selfie mit ihrem Lieblingskrampus. Ob auch Telefonnummern ausgetauscht wurden, ist nicht überliefert.