Chronik/Österreich

Red-Bull-Erpresser filmreif gefasst

Das erpresste Geld hielt er bereits in Händen. Die Augen leuchteten, als er die schwarze Sporttasche mit den Geldbündeln aus einem Abfallcontainer an der Bahntrasse in Mödling (NÖ) fischte. Doch die Freude über den genialen Coup währte nur Sekunden. Dann überwältigten Elitepolizisten der „Cobra“ den 47-jährigen mutmaßlichen Erpresser des Getränke-Multis „Red Bull“. Einer der spektakulärsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre ging damit zu Ende.

„Sobald wir sicher waren, das ist der gesuchte Verdächtige, gab es den Zugriff“, sagt Hermann Rechberger, LVT-Chef in Salzburg, der die Festnahme leitete. Georg L. war bei seiner Verhaftung am Mittwochabend so überrascht, dass er anschließend wie unter Schock stand. „Er hat ganz offensichtlich nicht damit gerechnet, erwischt zu werden.“ Zuvor hatte der mutmaßliche Erpresser, der seit Februar mit einer Viren-Verunreinigung der Dosen gedroht hatte, mit den Beamten Katz und Maus gespielt. „Es war eine Schnitzeljagd über achteinhalb Stunden“, sagt Dietmar Perger vom Einsatzkommando Cobra-Mitte.

Fünf Übergabeorte

Verschiedene Orte für Geldübergaben sind in den vergangenen Wochen fixiert und wieder verworfen worden. Sogar nach Berlin fuhr der Mann, um sich von dort aus einer Telefonzelle zu melden. Auch mittels Prepaid-Karten kommunizierte er mit Red Bull, deshalb gab es keinen Lauschangriff.

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Zuletzt nannte er fünf Übergabeorte im Raum Wien: Den Bahnhof Wien-Meidling, einen Schlafwagenzug nach Venedig, einen Regionalzug mit Fensteröffnung, den Westbahnhof und Mödling.

Das federführende Landeskriminalamt Salzburg hatte im Vorfeld eine „besondere Lage“ ausgerufen, um bundesweit eingreifen zu können. Alle Beamten der „Cobra“, die nicht krank oder auf Urlaub waren, wurden eingesetzt. Auch das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz schickten Kräfte, um alle Orte getarnt zu überwachen.

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Am Mittwoch, 13 Uhr, begann die spektakuläre Aktion, die von der Polizei als „filmreif auf beiden Seiten“ bezeichnet wurde. Der zu dem Zeitpunkt noch unbekannte Täter hielt über Handy und SMS Kontakt zu einem Red-Bull-Kontaktmann. Diesen lotste er zu diversen Orten. Um 21 Uhr legte der Geldbote die Tasche wie aufgetragen in den Abfallcontainer rund fünf Minuten vom Bahnhof Mödling entfernt.

15 Minuten später tauchte dort der Erpresser auf. Ermittler Rechberger: „Wir haben nur noch gewartet, bis er endlich zugreift.“ Zu dem Zeitpunkt waren dort kaum Passanten unterwegs – die Falle schnappte zu: „Der Mann war unbewaffnet und hat keinen Widerstand geleistet.“

„Sehr professionell“

L. hat Familie, die aber nicht involviert gewesen sein dürfte. Er gab sofort alles zu und erklärte, allein gehandelt zu haben. „Er hat sehr professionell agiert.“ Die in zwei Erpresserbriefen und einem eMail an den KURIER angekündigte Kontamination der Dosen mit Hepatitis-Viren wollte er offenbar nicht umsetzen. In seinem Domizil wurden Computer und Handys sichergestellt. Irgendwelche Mittel oder Werkzeuge zur Übertragung von allfälligen Viren wurden nicht gefunden. Roland Concin, Unternehmenssprecher von Red Bull: „Wir haben sofort nach der ersten Bedrohung in Labors die Dosen der genannten Supermärkte überprüft. Dabei ist schnell klar geworden, dass es sich offenbar um eine leere Drohung handelt.“

L., der vor kurzem nach Vösendorf gezogen ist, soll eine technische Schule abgebrochen haben. Er litt unter Geldnot. Wie hoch die Erpressungssumme war, blieb unklar. Es soll sich aber um „mehrere Hunderttausend Euro“ gehandelt haben, hieß es aus vertraulicher Quelle. Rechberger räumte ein: „Wäre sein Coup gelungen, hätte er keine Geldsorgen mehr gehabt.“

Warum er sich ausgerechnet Red Bull als Ziel der Erpressung ausgesucht hat, ist unklar. Ein Naheverhältnis liegt angeblich nicht vor.

Die Lebensmittelbranche ist in den vergangenen Jahren immer wieder in das Visier von Erpressern geraten. Die Polizei und die Unternehmen verfolgen dabei meist eine sehr restriktive Informationspolitik. Folgend eine Übersicht über die bekannten Fälle mit österreichischer Beteiligung.

Februar 2013 - Der österreichische Getränkehersteller Red Bull wird zum Opfer eines Erpressers. Dem Unternehmen wird erst in Briefen, dann per E-Mail damit gedroht, Dosen mit Fäkalkeimen zu verunreinigen, wenn eine Geldsumme nicht gezahlt wird. Die Staatsanwaltschaft wird eingeschaltet. Am 11. April wird der mutmaßliche Erpresser, ein 47-jähriger Niederösterreicher, am vereinbarten Geld-Übergabeort in Mödling in Niederösterreich von der Spezialeinheit Cobra festgenommen. Sein Motiv dürften finanzielle Schwierigkeiten gewesen sein, Getränke wurden keine kontaminiert.

November 2012 - Die thailändische Polizei nimmt im Badeort Pattaya einen Österreicher fest, der eine deutsche Supermarktkette um einen zweistelligen Millionenbetrag erpresst haben soll. Der 61-jährige Salzburger, der schon länger in Thailand lebt, ist per internationalem Haftbefehl gesucht worden. Er soll gedroht haben, mit Botox vergiftete Lebensmittel in Filialen der Kette zu hinterlegen und dann über Medien die Öffentlichkeit zu informieren.

Oktober 2010 - Die versuchte Erpressung des österreichischen Süßwarenherstellers Manner und des Feinkostunternehmens Wojnar sorgt für Aufsehen. Der Fall endet schließlich mit der Festnahme des 27-jährigen Täters. Der Deutsche hinterließ in mehreren Geschäften präparierte Mozartkugeln und Thunfischaufstriche. Er forderte mehrere 100.000 Euro, die zum Teil ausgezahlt worden sind. Im Anschluss an eine Geldabhebung kann ihn die Tiroler Polizei auf der Autobahn stellen. Der Mann wird zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.

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Oktober 1997 - In Niederösterreich geht der Gendarmerie ein Erpresser ins Netz, der eine Supermarkt-Kette um zehn Millionen Schilling (726.728 Euro) erleichtern wollte und mit der Vergiftung von Lebensmitteln gedroht hat. Als Motiv gibt der Arbeitslose hohe Schulden an.

Juli 1997 - Zwei Steirer werden nach der versuchten Erpressung eines internationalen Lebensmittelkonzerns gefasst. Die Männer haben nach Angaben der Wiener Polizei mit der Vergiftung von Lebensmitteln in ganz Österreich gedroht und 25 Millionen Schilling (1,82 Mio. Euro) verlangt.

Mai 1997 - "Ihre Firma wurde von uns für eine Geldbeschaffungsaktion ausgesucht. Kurzum fordern wir von Ihnen den Betrag von 25 Millionen Schilling (1,82 Mio. Euro)", heißt es in einem Schreiben, das in der Wiener Meinl-Zentrale eintrudelt. Gezeichnet ist die Botschaft "mit freundlichen Grüßen - die Organisation für Geldbeschaffung". In acht weiteren Briefen erhöhen die Erpresser ihre Forderung auf 100 Millionen Schilling (7,27 Mio. Euro), falls die Polizei Wind von der Sache bekommen sollte. Bei Nichtzahlung drohen die Männer, Waren des Lebensmittel-Konzerns mit Rattengift und Zyankali zu versetzen. Die Erpresser werden festgenommen.

Juli 1996 - Ein 37-jähriger britischer Computerfachmann wird in Wien wegen der versuchten Erpressung von Lebensmittelfirmen verhaftet, als er von einem Konto Geld abheben will. Er soll insgesamt 250.000 Pfund (283.897 Euro) von fünf Lebensmittelkonzernen verlangt haben. Andernfalls drohte er, ihre Produkte mit mikrobiologischen Organismen zu vergiften.