Chronik/Österreich

Ernährung und Landwirtschaftsdilemma: "Verfehlte Politik ist schuld"

In einer Welt voller verarbeiteten Lebensmitteln und schnelllebiger Essgewohnheiten suchen immer mehr Menschen nach Möglichkeiten, ihre Ernährung zu verbessern und sich bewusst für frische, natürliche Produkte zu entscheiden - doch das hat natürlich seinen Preis.

Gleichzeitig sehen sich die österreichischen Landwirte mit immer mehr Herausforderungen konfrontiert: Teuerung, Klimawandel, Regulierungen und die Notwendigkeit nachhaltiger Praktiken, die nach innovativen Lösungen verlangen. Wie ist das noch vereinbar?

Ganz unter dem Motto "Wer isst hier politisch?" stellten sich Gastronom und Politiker Sepp Schellhorn (Neos), Spitzenkoch Paul Ivić, Landwirtin und Demeter-Vorstandsmitglied Helga Bernold, und Gründer von "Land schafft Leben" Hannes Royer deshalb diese und weitere Fragen rund um die Herausforderungen und Chancen der Lebensmittelproduktion in Österreich. 

Im Rahmen der Vienna Future Food Week veranstaltete Gaumen Hoch gemeinsam mit dem KURIER eine Podiumsdiskussion zum Thema Ernährung und Lebensmittelproduktion. KURIER-Herausgeberin Martina Salomon führte durch den Abend im Bio-Restaurant Luftburg - Kolarik im Prater.

Große Unwissenheit

In der heutigen Lebensmittelwelt hat der Konsument mehr Macht denn je - theoretisch. Doch zu große Unwissenheit herrsche beim Essen vor, so der Konsens der Teilnehmer. "In der Schule muss man anfangen und Kinder sensibilisieren", sagte Schellhorn. "Das sind politische Diskussionen. Wir müssen etwas ändern in der Förderpolitik, damit jeder gesundes Essen bekommt", so Schellhorn weiter.

Doch damit nicht genug: Es brauche zudem ein besseres Grundverständnis in Biodiversität und Artenvielfalt. Personen, die sich damit auseinandersetzen – auch Gastronomen – essen und kaufen anders ein, ergänzte Ivić. Auch Royer wünscht sich eine bedarfsgerechte Verpflegung von Kindern - und diese müsse auch in der Ausbildung ansetzen.

Vieles, das konsumiert wird, schade den Menschen, so Ivić. Nicht Bio, sondern der Einsatz von Hormonen, Pestiziden und Antibiotika sollte seiner Meinung nach angeschrieben werden. 

Ungleichgewicht in der Landwirtschaft

Während die Verbraucher vermehrt Wert auf Qualität und Herkunft ihrer Nahrungsmittel legen, stehen Landwirte vor der Herausforderung, ökologische Praktiken mit wirtschaftlicher Rentabilität in Einklang zu bringen. 

Das ist leichter gesagt als getan: "Wir haben in der österreichischen Landwirtschaft einen sehr hohen Regulierungsgrad. Landwirte sind aber auch Unternehmer und das unternehmerische Handeln ist von der Politik sehr eingeschränkt", sagte Bernold. Landwirte würden an "allen Schrauben drehen", gleichzeitig werden viele Waren importiert: "Uns wird das Leben schwer gemacht in der Produktion und für die Importe gelten andere Regeln."

Trotz strenger Regulierungen ist Österreich "Bio-Weltmeister", erklärte Royer. Doch wie lange könne das noch so bleiben? "Viele Biobauern ziehen das Biozertifikat zurück, weil Handelsriesen das nicht um den Preis kaufen", ergänzte Schellhorn. Auch gesteckte EU-Ziele bleiben in weiter Ferne: "Bio-Landwirtschaft soll mehr gefördert werden, aber gleichzeitig stehen nur wenige dahinter, das politische Statement auch tatsächlich umzusetzen", so Bernold.

Gaumen Hoch ist eine Gemeinschaft von Menschen aus Gastronomie, Landwirtschaft und Weinbau, die sich aus Überzeugung für einen verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln einsetzt. Seit ihrer Gründung im April zählt sie bereits über 150 Mitglieder.

Rasanter Anstieg - egal ob bio oder nicht

Neben der Landwirtschaft, steht auch die Gastronomie vor Herausforderungen. Einkaufs-, Personal- und Produktionskosten sind für österreichische Gastronomen seit der Pandemie rasant angestiegen.

Gleichzeitig gibt es ein Schnitzel "um 3 Euro" im Möbelhaus zu kaufen, so Schellhorn. Immer weniger Menschen seien bereit für gute Qualität zu bezahlen, pflichtete Royer bei.

Sind Landwirtschaft und Lebensmittel uns also insgesamt zu wenig wert?

"Wir haben eine Krise in der Lebensmittelbranche", sagte Schellhorn. Diese sei nicht so groß wie einst bei den Weinbauern, aber man müsse es schaffen, in der restlichen regionalen Landwirtschaft und der Gastronomie ähnliche Ergebnisse zu erzielen: "Es zweifelt niemand an der Qualität der Weine."

"Wir, also Bauern und Wirte, haben nie gemeinsam gedacht. Das sollte ein Anstoß sein, das weiterzuentwickeln", sagte Schellhorn. 

Auf Politik kein Verlass?

Eine Möglichkeit das umzusetzen, ist die Politik. Darauf verlassen wollen sich die Teilnehmer aber nicht: "Die Politik hat es die letzten 40 Jahre nicht geschafft die Probleme zu lösen", sagte Bernold. 

Ähnlich kritisch sah das Schellhorn: "Nicht die Landwirte sind die Ursache für die Situation, sondern eine verfehlte Politik." Zuspruch gab es von Hannes Royer, aber gleichzeitig auch einen Aufruf an Schellhorn: "Hau dich gescheit rein, Sepp!"