Paragleiter forderte Ersatz von Bergrettern
Von Anja Kröll
Blickt Hermann Spiegl, Landesleiter der Bergrettung Tirol, bei seiner Morgenrunde Richtung Himmel, dann ist es ein Satz, der immer wieder fällt: „Es ist im Augenblick viel Kraft in der Luft.“
Gemeint sind Thermik und Fallwinde, die vor allem für Paragleiter zum Verhängnis werden können. Wie erst am Wochenende geschehen: Sowohl in Tirol, als auch in Kärnten, kam jeweils ein Mann bei einem Absturz ums Leben.
Zwei tödliche Unfälle
Am Samstagnachmittag starb ein 55-Jähriger im zu Wildschönau gehörenden Niederau (Bezirk Kufstein). Bei Windböen klappte laut Polizei die rechte Seite des Schirmes 15 Meter über dem Grund ein, der Mann stürzte in steiles Gelände ab. Auch in Kärnten kam für einen 36-Jährigen im Lavanttal jede Hilfe zu spät. Der Mann aus dem Bezirk Wolfsberg war nahe der Koralpe gestartet und wollte laut Polizei Flugmanöver üben. Dabei klappte der Schirm zusammen und er stürzte in einen Wald.
„Leider unterschätzen selbst erfahrene Piloten aktuell die schwierigen Verhältnisse. Der Schirm klappt schnell ein und wenn man nicht die nötige Höhe hat, ist man schneller auf den Boden, als man reagieren kann“, sagt der Tiroler Bergrettungschef. Beinahe wöchentlich würden die Retter zu einem verunglückten Paragleiter ausrücken. Einsätze, die für die freiwilligen Helfer fordernd sind.
Denn oft verheddern sich die Schirme beim Absturz in Waldstücken. „Wir üben die spezielle Bergung aus den Baumkronen. Es gibt eigens dafür vorgesehene Baumbergesets mit Steigeisen, einer Schlinge als Sicherung, wie man sie trägt, wenn man auf einen Holzmast steigt und dann gibt es da natürlich die rechtlichen Fragen“, sagt Spiegl.
Brief vom Rechtsanwalt
Denn die Bergretter sind immer öfter in doppelter Hinsicht mit verunglückten Paragleitern konfrontiert: Zum ersten Mal, wenn diese zu Opfern werden und zum zweiten Mal, wenn der Rechtsanwaltsbrief nach der Bergung eintrifft, weil der Schirm bei der Rettungsaktion zerstört wurde. „Das kommt immer wieder vor. Jeder Patient wird geborgen, das steht außer Frage, aber wir lassen uns mittlerweile Verzichtserklärungen unterschreiben, bevor wir einen Schirm aus den Baumkronen holen“, erzählt Spiegl.
Hinzu kommen oftmals Streitigkeiten mit den Waldbesitzern. Denn immerhin müssen die freiwilligen Helfer, um Paragleiter aus schwindelerregenden Höhen zu bergen, Äste abschneiden. „Da kann man nicht so einfach in den Wald spazieren, da muss der Besitzer schon einwilligen“, berichtet Spiegl.
Die Bergrettung zählt in Österreich mehr als 13.000 ehrenamtliche Mitglieder. Sie retteten im Jahr 2019 insgesamt 8.910 Personen aus der Bergnot.
203 Personen verunfallten im vergangenen Jahr laut der Alpinunfallstatistik des Kuratoriums für alpine Sicherheit bei sogenannten Flugunfällen (Zehn-Jahres-Mittel: 210 Personen). Betrachtet man nur die tödlichen Unfällen, so starben laut Statistik im Jahr 2020 vier Menschen bei sogenannten Flugunfällen (Zehn-Jahres-Mittel: 9).
Von Klagen wegen zerstörter Schirme sind die Retter in einem der Top-Fluggebiete der Alpen, der Emberger-Alm in Kärnten, bisher verschont geblieben. „Wir haben im Jahr zwischen 10.000 bis 15.000 Starts. Aber wegen eines bei der Bergung zerstörten Schirms hat uns noch nie jemand belangt“, erzählt der Ortsstellenleiter der Bergrettung Oberes Drautal, Heinz Taurer. Rund 20-mal eilen die Bergretter verunglückten Paragleitern pro Jahr zu Hilfe. Paragleiten hätte in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom erlebt.
Das wissen auch die Bergretter in Niederösterreich. Erst Anfang Juni war es zu einem Unfall auf der Gemeindealpe gekommen: Ein Gleitschirmpilot stürzte nach der Kollision mit den Tragseilen der Sesselbahn fünf Meter in die Tiefe.