Chronik/Österreich

Pannenstreifenöffnung als Sparmaßnahme

Den Pannenstreifen bei viel Verkehr freizugeben, das ist keine neue Idee. Bereits seit den 90er-Jahren wird darüber heftig diskutiert. So gab es etwa Vorschläge, diesen nur für Postbusse oder Fahrzeuge mit mehreren Insassen zu öffnen.

Meist kam der Vorschlag dann, wenn die entsprechenden Kassen in Land oder Bund gerade leer waren, und/oder der Ausbau teurer Teilstücke bevorstand. Denn der Vorteil liegt auf der Hand: Der Straßenerhalter muss künftig keine vollwertigen Spuren mehr bauen, womit die Kosten für Bau und Grundstücksablösen bei Neubauten sinken. Dass es nun wirklich ernst damit wird, wie Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) am Mittwoch nach dem Ministerrat bekannt gab, könnte deshalb damit zusammenhängen, dass die Regierung gerade ein Sparprogramm fährt.

Beim nun angedachten ersten Teilstück der Ostautobahn A4 zwischen Simmeringer Haide und Flughafen Wien schaut das so aus: Aktuell gibt es zwei Spuren zu jeweils 3,80 Meter und daneben einen Pannenstreifen mit nur 2,80 Metern. In Summe könnte sich damit die Asfinag künftig (wenn man beide Fahrtrichtungen sieht) also zwei Meter Breite beim Autobahnbau sparen und dennoch drei Spuren anbieten. Das summiert sich entsprechend, derartige Hauptverkehrsstraßen zu bauen, ist bekanntlich teuer.

Die Ostautobahn ist erst der Beginn, wie man im Ministerbüro nicht verschweigt. Mit der Änderung der Straßenverkehrsordnung wird es künftig möglich sein, den Pannenstreifen überall per Verordnung des Verkehrsministers freizugeben.

Auf der A4 werden in den nächsten Wochen weitere Überkopfwegweiser gebaut, 30 Videokameras installiert und die Fahrstreifen neu aufgeteilt – voraussichtlich soll ab Juli die linke Spur dann die schmalste sein und dort ein Lkw-Fahrverbot gelten. Möglicherweise muss dann aber auch das Tempo heruntergeschraubt werden.

„Die temporäre Freigabe des Pannenstreifens ist eine international bewährte Antwort auf die aktuellen Herausforderungen durch das steigende Mobilitätsbedürfnis“, sagt Verkehrsminister Norbert Hofer. Er verweist darauf, dass es derartige Modelle bereits in anderen Ländern gibt – vor allem in den Niederlanden, aber auch in Deutschland und Großbritannien.

Während der Automobilclub ÖAMTC skeptisch ist, begrüßt der ARBÖ das Vorhaben eher. „Wenn es die Verkehrslage erfordert und die Sicherheit nicht gefährdet wird, ist die Öffnung der Pannenstreifen sehr zu begrüßen“, sagt ARBÖ-Generalsekretär Gerald Kumnig. „Dennoch darf ein derartiges Projekt nicht dazu führen, dass der Autobahnbau und Ausbau des hochrangigen Straßennetzes eingestellt wird. Grundsätzlich ist eine vollwertige dritte Fahrspur erstrebenswert und sinnvoller. Es muss auch weiterhin Pannenstreifen geben.“

Umfangreiche Folgen hat das alles auch für die seit Jahren heftig umstrittene Rettungsgasse, die Verkehrsminister Norbert Hofer in einem KURIER-Interview im Dezember noch infrage gestellt hat. Denn abgeschafft werden kann sie nun nicht mehr. Wenn der Pannenstreifen künftig im großen Stil als Ersatzspur verwendet wird, brauchen die Einsatzfahrzeuge die Rettungsgasse. Diese Maßnahme, deren Wirksamkeit laut allen seriösen Studien gleich null ist, bleibt damit einzementiert.

„Das ist kein Provisorium, sondern eher eine Dauerlösung“

Nachgefragt. ÖAMTC-Experte Martin Hoffer über die Vor- und Nachteile einer Freigabe des Pannenstreifens.

KURIER: Was sind die Vorteile für Autofahrer, wenn der Pannenstreifen freigegeben wird?
Hoffer: Zunächst gibt es eine Kapazitätsverbesserung und links wird kein Lkw ein Hindernis sein, weil es für diese dann ein Fahrverbot  auf der Spur ganz links gibt. Und man kommt schneller voran, wenn es weniger Staus gibt.

Und was sind die Nachteile?
Es gibt einen Sicherheitsverlust durch den Entfall des Pannenstreifens – das ist keine brauchbare Dauerlösung. Zumindest müssen in kurzen Abständen Pannenbuchten eingerichtet werden, um bei fehlendem Pannenstreifen doch noch eine Notabstellfläche zu haben.  Außerdem kann es bei Ausfahrten wie etwa beim Flughafen Schwechat durchaus zu Problemen kommen. Dazu kommt, dass es fies wird, wenn der Pannenstreifen gesperrt ist. Weil dann dürfen Lkw auch auf der Spur ganz links fahren – diese ist dann aber schmäler als vorher.

Es sollen die Fahrstreifen neu gemalt werden, auf der so genannten Überholspur links werden dann nur noch 3,25 Meter statt 3,80 Meter Platz sein....
Das zeigt, dass es kein Provisorium ist, sondern eher eine Dauerlösung geplant ist. Und das wird sich auch bei den Autofahrern rächen, wenn diese sehen, dass das Motto lautet: So lange wir nicht ausbauen können, werdet ihr im Stau stehen. Aber man sollte erst mal schauen, welches Tempolimit das alles verträgt, eine Temporeduktion zu Beginn wird wohl unumgänglich sein.