Chronik/Österreich

Nun starb auch das dritte Tigerbaby

Der Weg zu den sibirischen Tigern ist holprig und löchrig. Rund 20 Kilometer von der slowakischen Hauptstadt Bratislava entfernt, weisen nur ein paar ausgebleichte Wegweiser zur „Oase der sibirischen Tiger“. So hat Yveta Irsova ihre Zuchtstation benannt. An Wochenenden, so erzählt ihr Mann Milan Bratko, kommen bis zu 2.000 Besucher hierher.

Bis vor Kurzem kannte in Österreich kaum jemand die Zuchtstation. Das änderte sich schlagartig, als zwei acht Tage alte Tigerbabys in der Badewanne einer Wohnung in Hainburg gefunden wurden. Sie stammten aus der Zuchtstation. Die schwer kranken Tiere starben wenige Tage später.

„Mutter der Tiger“

Seither sind Irsova und Brakto mit Anfeindungen konfrontiert. „Unser Name ist beschädigt, wir werden beschimpft“, schildert Bratko. In eMails werden sie als Mörder bezeichnet. Das schmerzt vor allem Irsova, sie bezeichnet sich selbst als „Mutter der Tiger“.

Drei Welpen hatte Tigermutter Luna auf die Welt gebracht. Zwei von ihnen, erzählt Irsova, waren allerdings sehr schwach. Wenige Tage nach der Geburt verstieß Luna dann auch noch ihre Jungen. Sie mussten mit der Hand aufgezogen werden.

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Als es den beiden Nachzüglern immer schlechter ging, war klar: Sie müssen dringend zum Tierarzt. „Unser slowakischer Tierarzt war zu dem Zeitpunkt aber nicht da. Deshalb hat eine unserer Helferinnen die Tiere in die Tierklinik nach Parndorf gebracht“, schildert Bratko. In Parndorf, so sagt er, hätten die Tigerbabys Infusionen und eine Behandlung bekommen.

„Am nächsten Tag war eine Kontrolluntersuchung geplant. Deshalb hat unsere Pflegerin die Tiere zu sich in die Wohnung mitgenommen.“ Doch wenige Stunden später standen Polizisten und Tierschützer vor der Tür, beschlagnahmten die Tiere.

Das dritte Tigerbaby war in der Zuchtstation geblieben. „Wie kann es sein, dass die zwei Tiere in Österreich gestorben sind und dem dritten geht es gut“, fragte Rechtsanwalt Wolfgang Blaschitz, der die Eigentümer vertritt und eine Entschädigungsforderung ankündigte.

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Bratko zeigt ein Foto: Darauf zu sehen ist, wie eine Tierschützerin einem Tigerbaby einen Finger in den Mund steckt. „Das können wir nicht verzeihen“, sagt er. So hätten Krankheitserreger übertragen werden können.

Doch wenige Tage, nachdem die Tiere in Österreich gestorben waren, war auch das dritte Tier in der Slowakei tot. Warum, das wollen Irsova und Bratko nicht sagen. „Erst, wenn wir erfahren haben, woran die beiden in Österreich gestorben sind.“

Kindheitstraum

26 Tiger und zwei Löwen sind in Zuchtstation beheimatet. Irsova hat sich damit ihren Kindheitstraum verwirklicht. „Es ist unsere Berufung.“ Man wolle die sibirischen Tiger vor dem Aussterben retten. In der Wildnis leben nur noch weniger als 500 Exemplare. „Das hier ist der einzige Weg, um die Tiere für die nächsten Generationen zu erhalten“, sind sie überzeugt. Man halte sich streng an das Washingtoner Artenschutzabkommen, betonen sie. Über jedes Tier gebe es genaue Aufzeichnungen, keines würde verkauft.

Doch österreichische Tierschutzorganisationen haben Zweifel. Und sie kritisierten auch die Haltungsbedingungen. Das können die Betreiber nicht verstehen. „Den Tigern geht es hier gut“, sagen sie.

Zuchtstation seit 24 Jahren

Seit 1995 gibt es die „Oase“. Die Jahre sieht man der Zuchtstation an. Die Tiere werden in Gruppen in mehreren Gehegen gehalten. Diese sind in zwei Teile aufgeteilt: Einen kleinen Schlaf- und Futterbereich – den sehen die Besucher auch zuerst.

Durch kleine Tore allerdings, das betonen die Besitzer, können die Tiere jederzeit in den Grünbereich. „Haben Sie den Eindruck, ihnen geht es schlecht?  Im Zoo haben sie weniger Platz“, sagt Bratko. Um die Tiere zu beschäftigen, würden sie alle paar Tage das Gehege wechseln. „Dadurch können sie regelmäßig neue Gehege erkunden, sie haben ständig neue Gerüche.“

Insgesamt stünden den Tigern damit zwei Hektar Fläche zur Verfügung. Die Außengehege verfügen über Schatten- und Kletterplätze und eine Wasserstelle. In den Innenbereichen vertreiben sich die Tiere mit alten Reifen und Bällen die Zeit.

"Oase" oder "Gefängnis"?

Der Wiener Tierschutzverein, der vor Ort war, bezeichnete die Situation allerdings als „Gefängnis“. Das ärgert das Paar enorm: „Das ist eine Lüge. Unsere Besucher können sich mit ihren eigenen Augen davon überzeugen, dass es den Tieren gut geht.“

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Ebenfalls ein Dorn im Auge der Tierschützer ist, dass Besucher die Tiere streicheln und Fotos mit ihnen machen können. „Irgendwer hat geschrieben, dass wir sie dazu betäuben. Das ist völliger Unfug“, wird Brakto laut. „Es stimmt schon, dass es Fotos gibt. Aber nicht immer. Und nur mit speziellen Tieren. Sie haben eben eine Bindung zum Menschen.

Die „Oase“ finanziert sich durch Spenden der Besucher. Außerdem wird die Zuchtstation als Verein geführt. „Das hier ist unsere Leidenschaft und harte Arbeit“, sagt das Paar. „Uns ist nicht wichtig, dass es den Menschen hier gefällt. Wichtig ist, dass es den Tigern gut geht.“

Kritik von Tierschützern

Tierschützer beobachten die „Oase der sibirischen Tiger“ schon länger und haben Bedenken in Bezug auf die artgerechte Haltung. Problematisch sei, dass Tigerbabys den Müttern früh für Fotos mit Besuchern weggenommen werden. Das könne für beide Seiten psychische und körperliche Folgen haben.

In solchen Zuchtstationen soll das aber System haben. Ein Weibchen, dem die Babys abgenommen werden, produziert wieder Östrogen. Dementsprechend früher sei der nächste Wurf mit bis zu vier Jungtieren möglich. „Das ist ein für Tiger unnatürliches Verhalten“, erklärt Kieran Harkin, dessen Kollege für Vier Pfoten vor Ort war.

Fotomotiv

Dass sich die Großkatzen mit Menschen fotografieren, oder an der Leine führen lassen, liege daran, dass sie entweder gegen ihre Instinkte trainiert oder überfüttert werden. Zwar gebe es dafür keine Beweise, aber diese Vorgehensweise sei aus Zirkussen oder Touristenattraktionen in Thailand bekannt.

Der Andrang in solchen Einrichtungen führt laut Vier Pfoten dazu, dass mehr Tiger in Gefangenschaft leben. Ein wildes Tier sollte nie eingesperrt sein. Ganz besonders nicht Tiger, von denen nur mehr 3.900 in Freiheit leben und die somit als gefährdet gelten, findet Harkin.

Die Betreiber der „Oase“ argumentieren, dass sie zum Artenerhalt beitragen. Die Aktivisten von Vier Pfoten lassen das nicht gelten. „Diese Tiere werden an Menschen gewöhnt, somit können sie später nicht in der Wildnis ausgesetzt werden“, beschreiben die Tierschützer den Widerspruch. Zwar gebe es Programme zum Artenerhalt, diese hätten aber strenge Regeln halten. Die „Tiger-Oase“ befolge diese nicht.

Geschäfte mit Großkatzen

Die Experten von Vier Pfoten weisen außerdem darauf hin, dass die Anzahl der gezüchteten Jungtiere in der slowakischen Tigerstation nicht mit den dort lebenden erwachsenen Tigern zusammenpasst. Das werfe zwangsläufig die Frage auf, was mit den Neugeborenen passiert, wenn sie zu alt sind, um als Fotomotive herzuhalten. Die Tierschützer halten es für möglich, dass sie verkauft werden.

So konnte nachgewiesen werden, dass europäische Tiger in Asien und dort speziell China angeboten werden. Der Handel mit den Raubkatzen ist in vielen EU-Ländern erlaubt. Sibirische Tiger sind aufgrund ihrer Größe besonders beliebt. Bis zu 22.000 Euro bekommen Händler für  ein Tier. Aber auch für Knochen wird bezahlt. Daraus werden dann  angeblich heilende Weine und Suppen gemacht.