Neunjährige dürfen bald alleine radeln
Von Birgit Seiser
Seit mehreren Jahren fordern österreichische Radfahrer-Vertreter eine Lockerung der Gesetze. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) scheint sich nun just an Vorschlägen, die unter anderem von der Radlobby kommen, orientiert zu haben. Ein Ministerialentwurf zeigt, was sich nach der nächsten Novelle der StVO zum Thema Radfahren ändern soll. Ein Großteil der Neuerungen wird von den sonst kritischen Experten begrüßt.
Altersgrenze
Bisher durften Kinder erst ab dem zehnten Lebensjahr mit einem Radfahrausweis alleine im Straßenverkehr unterwegs sein. Diese Altersgrenze soll künftig um ein Jahr herabgesetzt und an den Besuch der vierten Schulstufe gekoppelt werden. Dann wird nämlich – wie schon bisher – der relevante Stoff im Verkehrsunterricht durchgenommen. Da einige Kinder zu dem Zeitpunkt aber noch keine zehn Jahre alt sind, mussten sie mitunter mehrere Monate auf ihren Fahrradausweis warten. Die Novelle schafft diese Wartezeit ab.
Weniger Beaufsichtigung
Ebenfalls im Zusammenhang mit der Altersgrenze steht die Neuerung rund um die Beaufsichtigungspflicht. Kinder über acht Jahre sollen künftig mit Scootern, Laufrädern und ähnlichen Gefährten alleine auf dem Gehsteig unterwegs sein dürfen. Bisher musste eine Person zur Beaufsichtigung dabei sein, die mindesten 16 Jahre alt ist.
Hier stößt die Novelle auf einen ersten Kritikpunkt, wie Roland Romano, Sprecher der erklärt: „Leider bezieht sich diese Gesetzesänderung nur auf fahrzeugähnliches Kinderspielzeug und nicht auf Fahrräder. Das bedeutet aber, dass Neunjährige nicht auf dem Gehsteig radeln dürfen, sondern sich in den 50 km/h Mischverkehr eingliedern müssen. Das halte ich für problematisch.“
Rechts abbiegen
Gemischt sieht die Radlobby die geplante Regelung, dass Verkehrsteilnehmer bei roter Ampel rechts abbiegen dürfen. Der Vorschlag von Verkehrsminister Norbert Hofer, das Gesetz diesbezüglich zu verändern, wurde viel diskutiert. Ab Jänner soll ein Testbetrieb an drei Kreuzungen in Linz durchgeführt werden. Eben weil diese Abbiege-Regel aber für alle Verkehrsteilnehmer gelten soll, sieht Roland Romano eine Gefährdung für Radfahrer: „Es dürfen auch Lkw bei Kreuzungen bei Rot abbiegen. Es besteht die Gefahr, dass Radfahrer übersehen werden. Sinnvoller wäre es, diese Regelung auf Räder zu beschränken.“
Reißverschlusssystem
Bei Radwegen ist in Zukunft kein Ende mehr in Sicht – zumindest nicht schriftlich auf einem Verkehrszeichen am Boden. Radwege werden dann ohne Beschilderung enden, die Radfahrer sollen sich per Reißverschlusssystem in den Verkehr eingliedern. Laut ARBÖ ist dieser Vorschlag zu begrüßen, wie aus einer Stellungnahme zum Ministerialentwurf hervorgeht. Radfahrern kann damit „ein gleichberechtigtes Einordnen in den Fließverkehr ermöglicht werden.“
Nicht gleichgestellt sind Radfahrer künftig, wenn sie direkt neben einem Zebrastreifen die Straße queren: Dann müssen sie nämlich von ihrem Gefährt absteigen und schieben. Erlaubt ist das Queren nur, wenn links und rechts des Schutzweges Quermarkierungen gekennzeichnet sind.
Der Entwurf des Ministeriums muss nun begutachtet werden, bevor im Ministerrat darüber abgestimmt wird.
Gesetzeslage
Nicht jedes Gefährt mit zwei Rädern ist ein Fahrrad. Den Unterschied zwischen Fahrrädern und fahrzeugähnlichem Kinderspielzeug zu kennen, kann entscheidend sein, denn für beide Kategorien gibt es eigene Vorschriften. Fahrräder müssen mit zwei voneinander unabhängig wirkenden Bremsvorrichtungen ausgestattet sein. Außerdem braucht ein Fahrrad ein Vorder- und ein Rücklicht, Reflektoren und eine Fahrrad-Glocke. Ist das alles vorhanden, dürfen die Räder im Straßenverkehr unterwegs sein. Fortbewegungsmitteln wie etwa Micro Scooter, Skateboards oder Kinderfahrräder dürfen nur außerhalb der Fahrbahn also auf Gehsteigen, in Fußgängerzonen oder in Spielstraßen benutzt werden. Auf der Radspur haben diese Gefährte nichts zu suchen. Eine Ausnahme gibt es: Segways wurden in der 20. StVO-Novelle als Fahrrad eingestuft und dürfen daher auf dem Radweg rollen.