Chronik/Österreich

Neue Richtline für Radverkehr: Billige Lösungen sind nicht die besten

Fahrradfahren erfreut sich besonders, aber nicht nur, in den Sommermonaten in Österreich großer Beliebtheit. EBikes und Lastenräder prägen mittlerweile das Verkehrsbild unübersehbar mit, Alltagsradler sind keine Seltenheit. Länder und Gemeinden präsentieren Ausbaupläne für den Radverkehr in Millionenhöhe. Gleichzeitig hat aber auch die Zahl an Fahrradunfällen zugenommen. Mehr als 40 Fachleute haben deshalb die bundesweite Richtlinie für den Radverkehr (RVS) überarbeitet, wonach Radanlagen zukünftig sicherer sein sollen, hieß es am Montag bei einer Pressekonferenz des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV).

Billigste Lösung ist meist nicht die beste

„Es gibt politischen Druck, das Radfahren zu fördern, aber oft sucht man die billigste Lösung. Man pinselt eine Linie auf den Gehsteig, nimmt dem Fußgeher den wenigen Platz, den er eh schon hat, weg“, analysiert Klaus Robatsch, VerkehrssicherheitsExperte vom KFV und der Forschungsgesellschaft StraßeSchieneVerkehr (FSV). Diese halbherzigen Versuche, das Radfahren populärer zu machen, gingen aber auf Kosten der Sicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmer, führte er weiter aus. Und er verwies auf eine aktuelle Statistik, wonach in Österreich das Risiko, mit dem Rad zu verunglücken, 50 Mal höher sei als mit dem Auto, und die Wahrscheinlichkeit, in Österreich am Rad das Leben zu verlieren, doppelt so hoch sei wie in Deutschland, Belgien oder der Schweiz.

Hohes Gefahrenpotenzial für ältere Radler

Weil fast die Hälfte aller getöteten Radfahrerinnen und Radfahrer in Österreich über 65 Jahre alt und mit dem EBike unterwegs war, sei bei der Überarbeitung der neuen Richtlinien besonderes Augenmerk auf neue, trendige Fortbewegungsmittel gelegt worden: EBikes, EScooter und Lastenräder. „Im Vergleich zu den klassischen Radfahrern haben sie andere, teils längere Bremswege, größere Kurvenradien und benötigen damit auch breitere Anlagen“, sagte Robatsch. Deshalb wurde auch die empfohlene Mindestbreite von Radfahrstreifen neben längsparkenden Autos von 1,50 auf zwei Meter erhöht. „So können Unfälle mit aufgehenden Autotüren verhindert werden“, sagte Robatsch.

Flächendecken Bike-Boxen empfohlen

Neu sind auch die Empfehlungen, die Sichtweiten für Autofahrer bei Radfahrerüberfahrten zu vergrößern, „um ToteWinkelUnfälle zu verhindern“, flächendeckend BikeBoxen bei Kreuzungen anzubringen und Haltelinien von Mehrzweckstreifen vorzuziehen, „damit der LkwLenker den Radfahrer sehen kann“, so der Experte.

Außerdem sollten dort, wo der Verkehr langsamer fließt, etwa in 30erZonen, Radfahrer mit dem KfzVerkehr gemeinsam geführt werden: „Weil da die Geschwindigkeiten zusammenpassen, was zwischen Radfahrern und Fußgängern nicht der Fall ist.“ Eine weitere Maßnahme, die helfen würde, die Unfallhäufigkeit zu senken, könnte laut Experten auch der Ausbau der Phasentrennung an Kreuzungen sein: „Zuerst eine Grünphase für rechts abbiegende Autofahrer und dann für Radfahrer und Fußgänger.“ Das bedeute vielleicht eine längere Umlaufzeit, aber eben gleichzeitig auch ein großes Plus an Sicherheit.

Stadt Graz als Vorreiter

Die neuen Richtlinien werden von den Ländern übernommen eine rechtliche Verpflichtung bestünde zwar nicht, „aber auch Städte übernehmen die RVS gerne. Die Stadt Graz wendet sie bei Neuanlagen an und baut, wenn möglich, alte Anlagen auf die neuen Standards um,“ sagte Martin Fellendorf vom FSV und richtete einen Appell an Verkehrsplaner von Gemeinden und Ländern, sich an die Vorgaben zu halten, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer zu erhöhen, „auch wenn der eine oder andere Parkplatz dadurch einmal wegfällt“.